Analysen sind, wie ihr wißt, mein Lieblingsthema. Bislang hatte ich ja immer irgendwelche Hinweise worum es geht. Aber diesmal nicht. Auf einem Flohmarkt - und zwar in Italien, genauer gesagt in Florenz - fand ich etwas, das mich neugierig machte. Der Verkäufer hatte in der Ecke eine Kiste mit etlichen alten Flaschen stehen, so vom Stil dessen, was auf ebay als "vintage" angeboten wird. Hier eine kleine Auswahl:
Außer den abgebildeten waren noch
Cobalto ossido und
Carbamida in der Kiste. Aber an interessantesten fand ich die Flasche, deren Ettikett absolut unleserlich war. Sie war deswegen auch billig. Hier ist sie:
Das Ettikett war absolut nicht mehr zu rekonstruieren. Immerhin war noch zu erkennen, dass es sich um eine analysenreine Substanz gehandelt hat. Sie enthielt 21 g eines weißen, kristallinen Pulvers, das nur ganz wenig zusammengebacken - mithin also nicht hygroskopisch - war.
Die Substanz ist gut wasserlöslich und die Lösung reagiert neutral. Als erstes habe ich eine kleine Probe im Reagenzglas trocken erhitzt. Die Kristalle dekrepitierten etwas, aber es schlug sich kein Kristallwasser nieder. Nach längerem Erhitzen schmolzen sie und es setzte eine geringe Gasentwicklung ein. Nach einiger Zeit färbte sich der Gasraum gering bräunlich und es roch nach Stickoxiden (auf dem Bild eben zu erkennen).
Zuletzt erstarrte die Schmelze wieder zu einer weißen Kruste. Diese war in Wasser teilweise löslich und die Lösung reagierte alkalisch.
Das Verhalten wies auf das Vorleigen eines Nitrats hin. Ich dachte zuerst an Bleinitrat, aber das hätte deutlich mehr NO
2 bilden und einen gelben Rückstand von Blei(II)-oxid hinterlassen müssen. Wie auch immer: ich machte mich zuerst daran, das Nitrat mit der Ringprobe nachzuweisen. Aber beim Ansäuern der Lösung mit Schwefelsäure entstand ein dichter, weißer Niederschlag, der sich rasch absetzte. Bleisulfat kam in Betracht, aber die Reaktion war doch sehr verdächtig auf Barium.
Also habe ich die Flammenfärbung der Substanz untersucht - und siehe da: ein schönes, helles Grün!
Zur Absicherung habe ich noch ein paar Versuche gemacht. Mit Kaliumchromat entstand ein hellgelber Niederschlag von Bariumchromat (Bleichromat wäre dottergelb). Dieser und der weiße Niederschlag mit Schwefelsäure lösten sich in einem Überschuss an Natronlauge
nicht auf (die entsprechenden Bleisalze hätten sich gelöst).
Dann habe ich eine Probe mit Sodalösung gekocht, vom ausfallenden Niederschlag abfiltriert, und das Filtrat (von links nach rechts) auf Sulfat, Phosphat, Chlorid und Nitrat getestet. Nur die Ringprobe auf Nitrat war positiv:
Ich hatte also
Bario Nitrato erstanden

"Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden. Aber nicht einfacher." (A. Einstein 1871 - 1955)
"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)
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