- Definition der Säurekonstante einer schwachen Säure: \(\displaystyle k= \frac{h\cdot a}{ha}.\) mit \(h\) = Konzentration an H+, \(a\) = Konzentration an A- und \(ha\) = Konzentration an undissoziiertem HA
- Massen- bzw Konzentrationsbilanz der Säure: \(\displaystyle a + ha = \frac{c_a\cdot v_a}{v_a + v_b}.\)
zu jedem Zeitpunkt ist die Summe der Konzentrationen aus undissoziierter (ha) und dissoziierter (\(a\)) Säure gleich der anfänglichen Gesamtkonzentration \(c_a\), korrigiert um den Faktor der Verdünnung durch die Zugabe der Base.
- Massen- bzw Konzentrationsbilanz der Base \(BOH\): \(\displaystyle b = \frac{c_b\cdot v_b}{v_a + v_b}.\) Identisch wie bei der Säure, nur wird hier vorausgesetzt, dass die Base immer vollständig dissoziiert ist, alles liegt als \(B^+\) vor, kein undissoziiertes \(BOH.\)
- Ladungs- bzw. Ionen-Bilanz: \(\displaystyle h + b = a + oh\). Zu jedem Zeitpunkt ist die Summe Kationen \(H^+\) aus der Säure \(HA\) und \(B^+\) aus der Base \(BOH\) gleich der Summe der Anionen \(A^-\) und \(OH^-\).
- Wasser-Gleichgewicht aus dem Gleichgewicht \(H_2O\)↔\(H^+ + OH^-\): \(\displaystyle w = h\cdot oh\). Dissoziationskonstante von Wasser \(w\): 10-14 mol2L-2
Aus den eben genannten Grundbeziehungen ergibt sich dann das lineare Gleichungssystem:
\(\left\{\begin{matrix}
k\cdot\ ha=a\cdot\ h
\\
a+ha=\frac{c_a\cdot v_a}{v_a+v_b}
\\
h+b=a+oh
\\
h\cdot\ oh=w
\\
b=\frac{c_b\cdot v_b}{v_a+v_b}
\end{matrix}\right.\)
Interessiert sind wir an folgenden Größen:
\(h\): Konzentration \(H^+\)
\(v_a\): Volumen an vorgelegter Säure
\(c_a\): Konzentration vorgelegter Säure
\(c_b\): Konzentration der Base mit der titriert wird
\(k\): Säurekonstante
\(w\): Dissoziationskonstante Wasser
Loswerden wollen wir \(\left\{ ha,\,a, \,b, \,oh \right\}\), also sind hier im Gleichungssystem entsprechende Substitutionen zu finden. Wir überlassen es den Chemikern als kleine Übung, das Gleichungssystem einmal per Hand nach \(v_b\) zu lösen. Das Ergebnis lautet jedenfalls:
\(\displaystyle v_b(h)=\frac{v_a\cdot\left(-h^2+c_a\cdot\frac{k\cdot h}{h+k}+w\right)}{h^2+c_b\cdot h-w}. \qquad (0)\)
Nun kann man das \(\frac{h}{h+k}\) in \((0)\) noch durch einen kleinen Kunstgriff loszuwerden:
\(\displaystyle v_b(h)=\frac{h+k}{h+k}\cdot\frac{v_a\cdot\left(-h^2+c_a\cdot\frac{k\cdot h}{h+k}+w\right)}{h^2+c_b\cdot h-w}.\)
Weiteres Ausmultiplizieren und Ausklammern liefert dann
\(\displaystyle {v_{b}(h)=-\frac{v_{a}\cdot \left ( h^{3}+k\cdot h^{2}-h\cdot \left ( c_{a}\cdot k + w \right )-k\cdot w \right )}{\left ( h+k \right )\cdot \left ( h^{2}+c_{b}\cdot h-w \right )}. \qquad (1)}\)
Die Titrationsfunktion \(v_{b}(h)\) ist eine unecht gebrochenrationale Funktion, da der Grad der Nennerfunktion gleich dem Grad der Zählerfunktion ist.
\(v_{b}(h)\) ist nicht sonderlich praktikabel, da bei der Titration traditionsgemäß \(v_{b}\) auf der x-Achse und \(h\) bzw. \(pH\) auf der y-Achse aufgetragen werden. Anstelle von \(v_{b}(h)\) benötigen wir also \(h(v_{b})\). Man nennt \(h(v_{b})\) die Umkehrfunktion \(f^{-1}\) von \(v_{b}(h)\).
Exkurs Umkehrfunktion: Eine Umkehrfunktion ist eine mathematische Funktion die einem Funktionswert dessen Argument zuordnet. Eine Funktion \(g\) ist damit die Umkehrfunktion einer Funktion \(f\), wenn \(y=f(x)\), dann \(x=g(y)\). Eine Funktion \(f\) hat nur dann eine Umkehrfunktion wenn für jedes \(y\) im Wertebereich nur ein Wert von \(x\) im Definitionsbereich existiert, für den gilt: \(f(x)=y\).
Aus \((1)\) ist sofort ersichtlich, dass \(h(v_{b})\) als Gleichung 3. Grades vorliegt. Gleichungen 3. Grades sind geschlossen darstellbar (erst ab 5. Grades sind sie es allgemein nicht mehr), heißt es existiert eine Lösungsformel. Jede Gleichung 3. Grades hat drei Lösungen, die entweder reell oder reell und konjungiert komplex sein können. Nach dem Zwischenwertsatz existiert mindestens eine reelle Lösung (Nullstelle).
Durch geschicktes Umstellen und Ausklammern von \((1)\) erhalten wir (wenn wir uns nicht verrechnet haben) die allgemeine Form einer Gleichung 3. Grades:
\(\left(v_a+v_b\right)\cdot\ h^3+\left(v_a\cdot k+v_b\cdot c_b+v_b\cdot k\right)\cdot\ h^2+\left({v_b\cdot c}_b\cdot k-v_a\cdot\left(c_a\cdot k+w\right)\right)\cdot\ h-\left(v_a\cdot k\cdot w+v_b\cdot k\cdot w\right)=0. \qquad (2)\)
Nun substituieren wir in \((2)\)
\(v_a+v_b=a\)
\(v_a\cdot\ k+v_b\cdot\ c_b+v_b\cdot\ k=b\)
\({v_b\cdot c}_b\cdot\ k-v_a\cdot\left(c_a\cdot k+w\right)=c\)
\(v_a\cdot\ k\cdot\ w+v_b\cdot\ k\cdot\ w=d\)
und erhalten
\(a\cdot\ h^3+b\cdot\ h^2+c\cdot\ h-d=0. \qquad (3)\)
Die Cardanischen Formeln liefern die drei Lösungen für \(h\). Als Beispiel sei hier eine Lösung wiedergegeben:
\(\displaystyle {h_1=\frac{\sqrt[3]{\sqrt{C^2+D}+C}}{3\cdot a\cdot\sqrt[3]{2}}-\frac{\sqrt[3]{\frac{D}{2}}}{3\cdot a\cdot\sqrt[3]{\sqrt{C^2+D}+C}}-\frac{b}{3\cdot a} \qquad (4)}\)
mit
\(C=27\cdot\ a^2\cdot\ d+9\cdot\ a\cdot\ b\cdot\ c-2\cdot\ b^3\),
\(D=4\cdot\left(3\cdot a\cdot c-b^2\right)^3\)
und
\(a\neq0\).
Bei mehr als einer reellen Lösung ist gegebenenfalls eine Fallstudie durchzuführen. \({-\log}_{10}(h)\) ergibt dann den \(pH\)-Wert.
Will man komplexere Systeme berechnen (auch schwache Base, mehrbasige Säuren und Basen...) kommen entsprechend mehr Bedingungen (z.B. die einzelnen Dissoziationsstufen) und Parameter (z.B. Ks2, Kb) hinzu. Der Grad des Polynoms ist dabei durch die Anzahl an Dissoziationsstufen bedingt, eine zweibasige Säure (Base) bedingt ein \(h^4\), eine dreibasige ein \(h^5\) usw. (siehe hierzu Kommentar von mgritsch).
Da auch Gleichungen 4. Grades allgemein analytisch lösbar sind und es Spezialfälle von Gleichungen 5. Grades gibt, für die ebenfalls eine analytische Lösung existiert, gilt:
\(\boxed{\displaystyle{\text{Ab der dreibasigen Säure ist eine allgemeine analytische Lösung nach}\,h(v_b)}\,\text{nicht mehr möglich.}}\)
Kommen wir zu den Wendepunkten.
Exkurs Wendepunkt: Ein Wendepunkt ist der Punkt an dem der Funktionsgraph sein Krümmungsverhalten ändert. Der Graph wechselt hier entweder von einer Linkskurve in eine Rechtskurve oder umgekehrt. Formal ausgedrückt:
Sei \(]a,b[ \subset \mathbb{R}\) und \( f:]a,b[ \rightarrow \mathbb{R}\), dann hat \(f\) in \(x_0\) einen Wendepunkt, wenn Intervalle \(]\alpha,x_{0}[ \) und \(]x_{0},\beta[\) existieren, so dass entweder
\(f\) in \(]\alpha,x_{0}[ \) strikt konvex und in \(]x_{0},\beta[\) strikt konkav oder
\(f\) in \(]\alpha,x_{0}[ \) strikt konkav und in \(]x_{0},\beta[\) strikt konvex ist.
Das Notwendiges Kriterium für eine Wendestelle ist:
\(\displaystyle \left.{\begin{array}{l}f{\text{ ist in einer Umgebung von }}x_{W}{\text{ zweimal differenzierbar.}}\\x_{W}{\text{ ist Wendestelle.}}\end{array}}\right\}\Rightarrow f\,''(x_{W})=0.\)
Neben dem Notwendiges Kriterium gibt es auch noch das Hinreichendes Kriterium für einen Wendepunkt. Hier hat man allgemein drei Möglichkeiten:
\(\displaystyle \left.{\begin{array}{ll}f{\text{ ist in einer Umgebung von }}x_{W}{\text{ zweimal differenzierbar.}}\\f\,''(x){\text{ wechselt an der Stelle }}x_{W}{\text{ das Vorzeichen.}}\end{array}}\right\}\Rightarrow x_{W}{\text{ ist Wendestelle.}}\)
\(\displaystyle \left.{\begin{array}{ll}f{\text{ ist in einer Umgebung von }}x_{W}{\text{ dreimal differenzierbar.}}\\f\,''(x_{W})=0\\f\,'''(x_{W})\neq 0\end{array}}\right\}\Rightarrow x_{W}{\text{ ist Wendestelle.}}\)
Nachteil: Im Falle \(\displaystyle f\,'''(x_{W})=0\) kann hier keine Entscheidung getroffen werden, ob ein Wendepunkt vorliegt.
\(\displaystyle \left.{\begin{array}{ll}f{\text{ ist in einer Umgebung von }}x_{W}\,n{\text{-mal differenzierbar.}}\\f\,''(x_{W})=\ldots =f\,^{(n-1)}(x_{W})=0\\f\,^{(n)}(x_{W})\neq 0\;{\text{ mit }}\,n>2\,{\text{und}}\,n\,{\text{ungerade}}\end{array}}\right\}\Rightarrow x_{W}{\text{ ist Wendestelle.}}\)
Vorteil: Hier kann auch im Falle \(\displaystyle f\,'''(x_{W})=0\) eine Entscheidung getroffen werden, ob ein Wendepunkt vorliegt.
Sehen wir uns nun mittels der Quotientenregel an, was uns bei der zweiten Ableitung von \((1)\) erwarten würde. Sind die Funktionen \(u(x)\) und \(v(x)\) von einem Intervall \(D\) in die reellen (oder komplexen) Zahlen an einer Stelle \(x_{0}\in D\) mit \(v(x_{0})\neq 0\) differenzierbar, dann ist auch die Funktion \(f\) mit
\(\displaystyle {f(x):=\frac {u(x)}{v(x)}}\)
an der Stelle \(x_{0}\) differenzierbar und es gilt
\(\displaystyle {f'(x_{0})=\frac {u'(x_{0})\cdot v(x_{0})-u(x_{0})\cdot v'(x_{0})}{(v(x_{0}))^{2}}. \qquad (6)}\)
Differenzieren wir \((6)\) noch einmal mittels Quotientenregel, erhalten wir
\(\displaystyle {f''(x_{0})=\frac{{v(x_0)}^2\cdot u^{\prime\prime}\left(x_0\right)-v\left(x_0\right)\cdot\left(2\cdot u^\prime\left(x_0\right)\cdot v^\prime(x_0)+u\left(x_0\right)\cdot v^{\prime\prime}\left(x_0\right)\right)+2\cdot u(x_0)\cdot{v^{\prime} (x_0)}^2}{{v(x_0)}^3}. \qquad (7)}\)
Da Polynome extrem einfach zu differenzieren sind, überlassen wir es dem geneigten Leser, die entsprechenden Ableitungen des Zählers und des Nenners von \((1)\) zu berechnen und in \((7)\) einzusetzen.
Nun ist das Notwendige Kriterium ja \(\displaystyle f\,''(x_{W})=0\), also
\(\displaystyle {{v(x_0)}^2\cdot u^{\prime\prime}\left(x_0\right)-v\left(x_0\right)\cdot\left(2\cdot u^\prime\left(x_0\right)\cdot v^\prime(x_0)+u\left(x_0\right)\cdot v^{\prime\prime}\left(x_0\right)\right)+2\cdot u(x_0)\cdot{v^{\prime} (x_0)}^2=0. \qquad (8)}\)
Die Gleichung \((8)\) lässt sich allgemein analytisch nicht mehr lösen, da sowohl \(\displaystyle {{v(x_0)}^2\cdot u''\left(x_0\right)} \) als auch \(\displaystyle {u(x_0)\cdot{v^{\prime} (x_0)}^2}\) zu Termen führt, in denen \(\displaystyle {x_0^7}\) auftritt. Die Nullstellen können also allgemein nur nummerisch bestimmt werden. Hier empfiehlt sich das Newtonverfahren, mit dem man Nullstellen einfach und mit beliebiger Genauigkeit berechnen kann.
Befassen wir uns als nächstes mit der 2. Ableitung von \((5)\). Hier müssen wir etwas weiter ausholen. Die Cardanische Formel eignet sich nur dazu, reduzierte Gleichungen 3. Grades zu lösen, das heißt Gleichungen ohne quadratisches Glied. Jedoch können alle Gleichungen 3. Grades nach Überführung in die Normallform durch die Lineare Tschirnhaus-Transformation in die reduzierte Form gebracht werden (was oben auch geschehen ist, ohne explizit darauf einzugehen). Die reduzierte Form ist gegeben durch:
\(\displaystyle{ z^{3}+p \cdot z+q=0, \qquad (9)}\)
mit den reellen Lösungen (oder einer reelle Lösung):
\(\displaystyle z={\sqrt[{3}]{-{\frac {q}{2}}+{\sqrt {\left({\frac {q}{2}}\right)^{2}+\left({\frac {p}{3}}\right)^{3}}}}}+{\sqrt[{3}]{-{\frac {q}{2}}-{\sqrt {\left({\frac {q}{2}}\right)^{2}+\left({\frac {p}{3}}\right)^{3}}}}. \qquad (10)}\)
Es dürfte allgemein bekannt sein, dass die Ableitung \(\displaystyle f'(x)\) der allgemeinen Logarithmusfunktion \(\displaystyle f(x)=\log_b(x)\) lautet: \(\displaystyle f' (x)=\frac{1}{x}.\)
Beziehen wir dies statt auf \(\displaystyle x\) auf eine Funktion \(\displaystyle g(x)\), also \(\displaystyle \displaystyle f(x)=-\log_{10}(g(x)),\) so lautet deren zweite Ableitung:
\(\displaystyle f'' (x)= \frac{g '(x)^{2}-g(x) \cdot g ''(x)}{g(x)^2}.\)
Seien nun \(\displaystyle u(x)\) und \(\displaystyle v(x)\) Funktionen die \(p\) und \(q\) repräsentieren, lässt sich die zweite Ableitung wie folgt schreiben:
\(\displaystyle f'' (x)= \frac{g '(x)^{2}-g(x) \cdot g ''(x)}{g(x)^2}\) mit \(\displaystyle g(x)={\sqrt[{3}]{-{\frac {v(x)}{2}}+{\sqrt {\left({\frac {v(x)}{2}}\right)^{2}+\left({\frac {u(x)}{3}}\right)^{3}}}}}+{\sqrt[{3}]{-{\frac {v(x)}{2}}-{\sqrt {\left({\frac {v(x)}{2}}\right)^{2}+\left({\frac {u(x)}{3}}\right)^{3}}}}. \qquad (11)}\)
Wenden wir wieder das Notwendige Kriterium für einen Wendepunkt an, erhalten wir die folgende, nichtlineare gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung
\( \displaystyle g '(x)^{2}-g(x) \cdot g ''(x)=0\)
mit der Lösung \( \displaystyle g(x)= c_{2}\cdot e^{c_{1}\cdot x},\) wobei \( \displaystyle c_{1}\) und \( \displaystyle c_{2}\) Integrationskonstanten sind.
Wir sehen, dass es ein heilloses Unterfangen ist, \( \displaystyle g (x)\) auf der rechten Seite von \((11)\) allgemein analytisch zu \( \displaystyle c_{2}\cdot e^{c_{1}\cdot x}\) umzuformen. Auch dieser Wendepunkt ist also allgemein nicht analytisch bestimmbar. Da bei höherer Anzahl an Dissoziationsstufen noch weitaus komplexere 2. Ableitungen auftreten, sind die Wendepunkte aller Voraussicht nach (strenger Beweis steht noch aus) auch hier nicht analytisch bestimmbar. Wir beschränken uns daher zunächst auf die Aussage:
\(\boxed{\displaystyle{\text{Bei der Titrationsfunktion (0) bzw. (1) ist eine allgemeine analytische Bestimmung des Wendepunktes nicht möglich.}}}\)
Das hat natürlich Auswirkungen zu Aussagen bzgl. des Äquivalenzpunktes, an dem \(v_a \cdot c_a=v_b \cdot c_b\) gilt. Da der Wendepunkt von \((1)\) bzw. \((5)\) nicht analytisch berechenbar ist, sind keine analytischen Aussagen über den Wendepunkt möglich. Da \(v_a \cdot c_a=v_b \cdot c_b\) eine analytische Aussage ist, kann aus \((1)\) bzw. \((5)\) nicht analytisch hergeleitet werden, dass am Wendepunkt \(v_a \cdot c_a=v_b \cdot c_b\) gilt. Dies ist aber kein Beweis, dass der Wendepunkt und der Äquivalenzpunkt nicht übereinstimmen.
Das nächste Thema, mit dem wir uns beschäftigen, ist die Punktsymmetrie.
Exkurs Punktsymmetrie: Eine Funktion kann punktsymmetrisch zu einem beliebigen Punkt sein. Die Punktsymmetrie zu einem Punkt \((x_0,y_0)\) liegt dann vor, wenn gilt:
\(\displaystyle f(x_0+x)-y_0=-f(x_0-x)+y_0\)
oder gleichbedeutend
\(\displaystyle f\left(x\right)=2{\cdot y}_0-f\left(2{\cdot x}_0-x\right).\)
\(y_0\) ist dabei als \(f(x_0)\) zu verstehen.
Des Weiteren gilt:
\(\displaystyle{\text{Ist bei einer gebrochen-rationalen Funktion die Zählerfunktion oder Nennerfunktion oder beide nicht punktsymmetrisch,}}\)
\(\displaystyle{\text{so liegt auch bei der gebrochen-rationalen Funktion keine Punktsymmetrie vor.}}\)
Auf der anderen Seite verhält es sich so, dass bei einer gebrochen-rationalen Funktion Punktsymmetrie nur vorliegt, wenn beide Teilfunktionen jeweils schon punktsymmetrisch sind.
Zur Untersuchung der Punktsymmetrie müssen wir etwas vorausschicken. Die Funktion \((1)\) beinhaltet ein \(h+k\) im Zähler und Nenner, das sich herauskürzen lässt. Zur Punktsymmetrie-Untersuchung ist es daher nicht zulässig, den Nenner und Zähler getrennt voneinander auf Punktsymmetrie zu untersuchen und daraus Schlüsse über das Symmetrieverhalten der gesamte Funktion zu ziehen. Zur Untersuchung ziehen wir daher \((0)\) heran. Hier haben wir im Nenner eine quadratische Funktion und im Zähler eine nicht ganzrationale Funktion. Daher können wir auch hier den Zähler und Nenner nicht getrennt auf Symmetrie untersuchen. Es bleibt uns also nichts anderes übrig als das Punktsymmetrie-Verhalten der gesamte Funktion zu studieren.
Wir beginnen also mit
\(\displaystyle f\left(x\right)=2{\cdot y}_0-f\left(2{\cdot x}_0-x\right).\)
Auf \(v_b(h)\) angewendet:
\(\displaystyle v_b\left(h\right)=2{\cdot y}_0-v_b\left(2{\cdot x}_0-h\right).\)
Um uns etwas Schreibarbeit zu ersparen, substituieren wir
\(\displaystyle 2{\cdot x}_0=u\),
\(\displaystyle 2{\cdot y}_0=q\),
\(\displaystyle \frac{q}{v_a}=r\).
Somit erhalten wir
\(\displaystyle \frac{-h^2+h\cdot\frac{k\cdot c_a}{h+k}+w}{h^2+c_b\cdot h-w}=\frac{\left(u-h\right)^2-\left(u-h\right)\cdot\frac{k\cdot c_a}{u-h+k}-w}{\left(u-h\right)^2+c_b\cdot\left(u-h\right)-w}+r \qquad (12)\)
und durch weiteres Umformen und Ausklammern schließlich
\(\displaystyle\frac{h^2+h\cdot\frac{k\cdot c_a}{h+k}+w}{h^2+c_b\cdot h-w}=\frac{\left(u-h\right)^2\cdot\left(1+r\right)+\left(u-h\right)\cdot\left({r\cdot c}_b-\frac{k\cdot c_a}{u-h+k}\right)-w-r\cdot w}{\left(u-h\right)^2+c_b\cdot\left(u-h\right)-w}. \qquad (13)\)
Da sich bei \((13)\) nichts mehr herauskürzen lässt, vergleichen wir die Nenner auf der linken und rechten Seite von \((13)\). Ziel ist hier die Frage, wie \(u\) beschaffen sein muss, dass
\(\displaystyle h^2+c_b\cdot\ h-w=h^2-2\cdot\ h\cdot\ u+u^2+c_b\cdot\left(u-h\right)-w \qquad (14)\)
gilt.
Die Gleichung (14) lässt sich noch vereinfachen:
\(\displaystyle h\cdot\left(2\cdot c_b+2\cdot u\right)=u^2+c_b\cdot\ u. \qquad (15)\)
\((15)\) offeriert nur eine Möglichkeit, das \(h\) auf der linken Seite loszuwerden. Es muss
\(\displaystyle 2\cdot\ c_b+2\cdot\ u=0\)
gelten, was zu
\(\displaystyle u=-c_b\)
führt.
Nun substituieren wir \(u\) durch \(-c_b\) im rechten Zählerterm von \((13)\):
\(\displaystyle \left(h^2+2\cdot c_b\cdot h+{c_b}^2\right)\cdot\left(1+r\right)+\left(-c_b-h\right)\cdot\left({r\cdot c}_b-\frac{k\cdot c_a}{-c_b-h+k}\right)-w-r\cdot\ w. \qquad (16)\)
Hier wird klar, dass \(-c_b=0\) sein muss, um überhaupt eine Möglichkeit zu erhalten, auf den Zähler der linken Seite von \((13)\) zu gelangen. Ersetzen wir in \((16)\) \(c_b\) durch \(0\), verbleibt
\(\displaystyle h^2\cdot\left(1+r\right)+\left(-h\right)\cdot\left(-\frac{k\cdot c_a}{-h+k}\right)-w-r\cdot\ w. \qquad (17)\)
Nun betrachten wir \(r\). Es kann nur \(r=-2\) sein. Ersetzen wir \(r\) durch \(-2\) in \((17)\), erhalten wir
\(\displaystyle{-h}^2+h\cdot\frac{k\cdot c_a}{-h+k}+w. \qquad (18)\)
Stellen wir den linken Zähler von \((13)\)
\(\displaystyle h^2+h\cdot\frac{k\cdot c_a}{h+k}+w\)
mit \((18)\) gegenüber, sieht man, dass der einzige Unterschied das Vorzeichen von \(h\) bei \( \frac{k\cdot c_a}{{\color{Red}{\pm h}}+k}\) ist. Dieser Unterschied lässt sich nur beheben, wenn \(h=0.\)
Wir fassen nun die Bedingungen für eine Punktsymmetrie zusammen, um zu sehen, welche Widersprüche sich ergeben:
a) \( h=0↯\) Gilt nur an einer Stelle.
b) \(r=-2\Rightarrow\frac{2{\cdot y}_0}{v_a}=-2\Rightarrow\ y_0=-v_a↯\) Gilt nur im Grenzwertfall
\(\displaystyle \lim_{h \to \pm \infty}{\frac{v_a\cdot\left(-h^2+h\cdot\frac{k\cdot c_a}{h+k}+w\right)}{h^2+c_b\cdot h-w}} =-v_a\)
bzw.
\(\displaystyle \lim_{h \to 0}{\frac{v_a\cdot\left(-h^2+h\cdot\frac{k\cdot c_a}{h+k}+w\right)}{h^2+c_b\cdot h-w}} =-v_a.\)
Da unsere Annahme \(v_b(h)\) sei punktsymmetrisch in \(\mathbb{R}\) bzw. \(\mathbb{D}\subseteq \mathbb{R}\) \(\left ( \Rightarrow v_b\left(h\right)=2{\cdot y}_0-v_b\left(2{\cdot x}_0-h\right) \right )\) zu Widersprüchen führt, ist unsere Annahme falsch und damit \(v_b(h)\) nicht punktsymmetrisch.
Abschließend beschäftigen wir uns noch einmal mit dem Äquivalenzpunkt. Hierzu betrachten wir den Fall einer starken einbasigen Säure mit starker Base. Dadurch entfällt im Gleichungssystem die Definition der Säurekonstante \(k\cdot ha=a\cdot h\), und da es keine undissoziierte \(ha\) mehr gibt, ist \(ha=0\). Siehe hierzu auch Theory of titration curves : The locations of inflection points on acid-base and related titration curves. Löst man nun das vereinfachte Gleichungssystem nach \(v_b\), erhält man die folgende Titrationsfunktion:
\(\displaystyle v_b\left(h\right)=\frac{{-v}_a\cdot\left(h^2-c_a\cdot h-w\right)}{h^2+c_b\cdot h-w}.\qquad (19)\)
Zweimaliges Differenzieren liefert:
\(\displaystyle v_b''\left(h\right)=\frac{{2\cdot v}_a\cdot\left(c_a+c_b\right)\cdot\left(h^3+3\cdot w\cdot h+c_b\cdot w\right)}{\left(h^2+c_b\cdot h-w\right)^3}. \qquad (20)\)
Da \(\displaystyle v_a,w,c_a,c_b>0,\) gilt:
\(\displaystyle v_b''\left(h\right)=0 \Rightarrow h^3+3\cdot\ w\cdot\ h+c_b\cdot\ w=0.\)
Da alle Koeffizienten der kubischen Gleichung \(>0\) sind, muss die reelle Nullstelle \(h_{wp}<0\) sein. Für den physikalisch/chemisch relevanten Äquivalenzpunkt gilt jedoch \(h_{äp}>0\) wie in diesem Kontext auch \(v_b(h) > 0\) und \(h>0\). Der Äquivalenzpunkt muss also bei \((19)\) immer nach dem Wendepunkt liegen \(\blacksquare\).
Schlussbemerkung: Dieser Artikel entstand in intensiver Zusammenarbeit mit mgritsch. Wir danken ihm an dieser Stelle ganz herzlich.