Titration von Dihydrogenphosphat

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lemmi
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von lemmi »

Nein, die Lauge war absolut carbonatfrei! Frisch angesetzt aus Öllauge nach Apipttieren vom ausgefallenen Natiumcarbonat. Zweitens in kohlendioxidfreiem Wasser. Drittens war der Titer gegen Phenolphtalein und gegen Tashiro gleich. Auch das Wasser, in dem ich den Analyt gelöst habe war frisch abgekocht. Also Zufall. Oder Schlamperei beim Messen. :mrgreen: Ich bleibe aber dabei, dass es die Elektrode war.

zu deinen Ausführungen im vorletzten Post: ich finde die mathematische Bestimmung des Äquivalenzpunktes als Wendepunkt durchaus logisch. Aber Poethke schreibt " es lässt sich zeigen, dass jede Titrationskurve, also auch die starker Säuren bzw Laugen mehr oder weniger unsymmetrisch ist, und daß der Wendepunkt vor dem Äquivalenzpunkt liegt." [Hervorhebungen im Text]. Er führt drei Publikationen desselben Autors zwischen 1928 und 1935 auf, die das belegen sollten.
Ich konnte die letzten Beiden finden (Roller PS: Theory of the Error of Acid-Base Titration; J Am Chem Soc 54 (1932): 3485-3499 und Roller PS: Theory of the Error of Acid-Base Titration; J Am Chem Soc 57 (1935): 98-100) - leider sind sie mir aber nur im Lesemodus zugänglich (kein Druck/Download als .pdf möglich). Die Zusammenfassung des Artikels von 1932 lautet:

Roller 1932.jpg
Roller 1932 -2.jpg

Die Mathematik dahinter, die er ausführlich beschreibt, ist mir zu hoch. Was ich als qualitative Aussage lese ist, dass es bei Titration schwacher Säuren mit starken Laugen eine asymmetrische Kurve gibt und der Äquivalenzpunkt vom Wendepunkt abweicht. Das ist mir nicht einsichtig. Und wie Poethke auf die Aussage "selbst starker Säuren bzw Basen" kommt, erst recht nicht.

Die Methode von Tubbs trägt der Asymmetrie der Kurven Rechnung, bei der die Parallelenmethode graphisch nicht anwendbar ist. Gefühlt ist sie stimmig (ich finde sie geradezu genial) und empirisch auch (ich erinnere nochmal an unsere getrennten Auswertungen der Titration von Acetat und Diclofenac, die dasselbe Ergebnis erbrachten). Offenbar gielingt es damit, graphisch den Wendepunkt korrekt zu bestimmen. Wie auch immer das mathematisch zu erklären ist.

In meinem obigen Fall war mein graphische Ergebnis sogar korrekter als dein mathematisches. Aber das beweist natürlich nichts, sondern ist vermutlich schlicht Zufall und die Qualität der Kurve ist schlecht. Glück gehabt. Andererseits schreibt Poethke in einem anderen Werk über zu ein(gewichtsanalytisches) Verfahren: "die Methode liefert gute Ergebnisse obwohl nach der Löslichkeit der Fällung ein zu niedriger Wert zu erwaten wäre. Offenbar liegen noch nicht bekannte Faktoren vor, die den Fehler ausgleichen..." (zitat aus dem Gedächtnis, nicht wortwörtlich). Sowas gibts offenbar auch ... :wink:
Ich werde mir mal wirklich eine neue Elektrode zulegen und das ganze aus Neugierde nochmal machen (und vorher die Elektrode in NH4Cl baden).
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MarbsLab
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von MarbsLab »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 2. Februar 2025, 12:32 In meinem obigen Fall war mein graphische Ergebnis sogar korrekter als dein mathematisches.
Auch das Kreisverfahren lässt sich mathematisch begründen. Hier wird ja der gegebene Graph um den Wendepunkt mittels zweier Kreisbögen appoximiert:
rect15.png
Trivialerweise ist der Wendepunkt der Approximation genau dort, wo sich die beiden Kreisbögen schneiden. Diesen Wendepunkt erhält man ebenfalls trivialerweise durch den Schnittpunkt, wenn man die beiden Mittelpunkte der Kreise mittels einer Geraden verbindet.
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lemmi
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von lemmi »

Dazu hätte ich als mathematisch halbgebildeter Laie zwei Fragen:

1. lässt sich zeigen, dass sich Titrationskurven als Kombination von Kreissegmenten beschreiben lassen?

2. gilt das Verfahren auch dann, wenn sich die beiden Kreise nicht berühren? z. B. weil der Graph zwischen den "Kurven" ein längeres Stück steil ansteigt.
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MarbsLab
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von MarbsLab »

1. Natürlich lässt sich das bewerkstelligen. Es ist ein gängiges Verfahren, siehe zum Beispiel hier: Fitting a circle by geometric fit.
Physikalische/chemische Erkenntnisse gewinnt man dadurch aber nicht. Beim curve-fitting gehts es meistens darum, Voraussagen treffen zu können, heißt, man kann damit ohne weitere Messung zusätzliche Funktionswerte berechnen.

2. Wenn sich die zwei Kreisbögen nicht berühren, wäre die approximierte Funktion um den Wendepunkt nicht mehr stetig (und damit in dem Bereich auch nicht mehr differenzierbar); heißt der Fehler würde sich vergrößern.
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mgritsch
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 2. Februar 2025, 15:40Poethke schreibt " es lässt sich zeigen, dass jede Titrationskurve, also auch die starker Säuren bzw Laugen mehr oder weniger unsymmetrisch ist, und daß der Wendepunkt vor dem Äquivalenzpunkt liegt."
ich hab mir das noch mal genauer angeschaut und nachgerechnet. Berechnungsgrundlage ist die exakte Lösung aller Gleichgewichtsbedingungen inkl. KW. Hier das Gleichungssystem zu einer einbasigen, schwachen Säure, mit Hilfe von Mathematica nach Volumen aufgelöst:
Gleichungssystem.png
Gleichungssystem.png (84.55 KiB) 261 mal betrachtet
Bis auf die Effekte der Aktivitäten sollte somit alles drin sein und keine Näherung zuschlagen.

Die berechnete Kurve zB einer Titration von 100 ml einer schwachen, einbasigen Säure von zB pKa = 4 (0,1 M) mit NaOH (0,1 M) schaut super ideal und rein visuell völlig symmetrisch aus:
Beispiel schwach.png
Der Neutralpunkt (pH des Salzes) errechnet sich in mittels -log10((wurzel(KA*KW/c) = log10(wurzel(10^-4*10^-14/0,05)) = 8,35
(es gibt noch eine andere Darstellungsform über die korrespondierende Base die vielleicht bekannter ist: pH = 14 - 1/2 · (pKB - lg c(B)); ist aber mathematisch identisch) der Wendpunkt in der Berechnung tritt bei pH 8,35 auf. Und das ist auch exakt der ÄP mit 100 ml Verbrauch. Keine Abweichung, egal wie man es berechnet.

Versuchen wir mal zum Vergleich eine noch schwächere Säure, an der Grenze der Titrierbarkeit mit pKs = 8, wieder jeweils 0,1M Lösungen. Nun sollte der Neutralpunkt lt Formel bei 10,35 liegen.
Beispiel superschwach.png
und wieder: beim ÄP beträgt der Verbrauch 100,0 ml = genau der Wendepunkt. Der pH ist dort 10,35. Alles deckt sich.

Aber sehen wir uns mal eine zweibasige Säure an - vielleicht ist es ja hier das gekoppelte System das uns den Ungemach verursacht. Gleichungen sind auch wieder vollständig und exakt gelöst, Details der längeren Formel erspare ich euch kann ich aber im Bedarfsfall gerne einstellen :)

Nehmen wir also 2 pKS-Werte die schwach sind aber noch nicht zu viel überlappen, zB 3 und 7; Neutralpunkte der Salze bei 5 und 9,76. Kurve sieht so aus:
zweibasig.png
bzw im Detail beim 1. ÄP so:
zweibasig-1AP.png
Wendepunkt ist genau wieder bei 100 ml = ÄP, der pH stimmt sehr gut zusammen mit der Formel-Berechnung pH = (pKs1 + pKs2)/2 (5,0 vs 5,0044 - mag sein dass meine Kurvenberechnung da schon exakter die zweite Dissoziationsstufe einbezieht...).

bzw im Detail beim 2. ÄP so:
zweibasig-2AP.png
Was soll ich sagen. gleicher Befund. Wendepunkt und ÄP stimmen zusammen. 9,76 berechnet als -log(wurzel(KA2*KW/c)), simuliert in der Kurve, und als Wendepunkt und ÄP gefunden.

Meine Conclusio: ich kann nicht nachvollziehen, dass Wendepunkt und ÄP nicht zusammenfallen sollten oder eine Asymmetrie vorhanden wäre. Gerne möge man mir aufzeigen wo denn die Asymmetrie auftritt, ich finde sie nicht. oder wo der "wahre" ÄP denn tatsächlich sei oder meine Berechnung einen Fehler oder Ungenauigkeit aufweist. Sollte sie unter der im Rahmen meiner numerischen Auswertung möglichen Genauigkeit liegen (irgendwo im Bereich der x-ten Nachkommastelle) dann sei mir verziehen dass ich das als nicht relevant erachte :)
Er führt drei Publikationen desselben Autors zwischen 1928 und 1935 auf, die das belegen sollten.
Ich konnte die letzten Beiden finden (Roller PS: Theory of the Error of Acid-Base Titration; J Am Chem Soc 54 (1932): 3485-3499 und Roller PS: Theory of the Error of Acid-Base Titration; J Am Chem Soc 57 (1935): 98-100)
Danke für die Literatur dazu, ist ganz interessant (und am üblichen Weg via scihub verfügbar...)
Was lese ich da raus:
Zunächst beschäftigt er sich mal vor allem mit der "finite sensitivity of the end-point indicator", durchaus wichtig. Egal ob Umschlagbereich des Farb-Indikators oder Messungenauigkeit des Volt-Meters.

Die Aussage "For a given sensitivity, the magnitude of the titer error increases with decrease in rate of change of PH at the end-point. A weak acid is thus less accurately titrated than a strong one." ist auch so weit so trivial bzw bestätigt auch nochmal warum es wichtig ist, die erste Ableitung dpH/dV (rate of change of pH) zu betrachten. Spannend für uns ist vor allem der Teil über potentiometrische Auswertungen: "For the latter the condition of the appearance of an inflection point and the magnitude of its deviation from the stoichiometric point are given."

Lustigerweise schriebt er dann: "Eastman came to the conclusion that [..] the inflection point may deviate from the stoichiometric point or might not appear at all. His numerical result for the condition of the appearance of an inflection point was shown to be erroneous his other numerical results are also in error as shown below". Lustig deswegen weil einerseits wollte er ja genau diese Abweichung erforschen, also warum "erroneous"? Lustig andererseits weil er genau diese Aussage dann in seiner zweiten Publikation 1935 widerruft :D

Mit dem was folgt tue ich mir schwer:
Publikation 1.png
Einerseits fallen diese Gleichungen hier total vom Himmel, sind nicht hergeleitet und auch noch unvollständig ( die + ... + ).
Wo kommt der Vorfaktor +/- 200 her?
der sinh deutetet darauf hin dass versucht wurde die Funktion pH(V) explizit aufzulösen.
Auch sonst etwas schwer nachvollziehbar mit den Unmengen an Indizes. Das hier:
Publikation 2.png
Hinterlässt bei mir nur viel Kopfkratzen was sich auf was bezieht oder wie signifikant ist :)

Wie auch immer, was die Aussagen daraus bzgl Symmetrie sind, dazu schreibt er:
"On close examination it is seen that the concentration substantially affects the results only in the case of the unsymmetrical titration, as of a weak acid by a strong base, but not in the case of the symmetrical titration as of a weak acid by a weak base or of the second H of a dibasic acid by a strong base."
ich lese daraus mal dass er unter "unsymmetrical" nur versteht dass es ein Paar Stark/Schwach ist, was aber per se keine "geometrische" Bedeutung iSe unsymmetrischen Kurve haben muss. Dass er das zweite H einer dibasic acid in einen Topf wirf mit dem ersten und als symmetrisch bzgl starker Base bezeichnet finde ich bedenklich. Ich glaube es ist ein Tippfehler, er meinte das erste H. Sonst stimme ich zu.

Dann folgt die Aussage:
"For the unsymmetrical titration the titer error is substantially proportional to the square root of the molar concentration at the end-point."
das kann nicht stimmen. Der Titerfehler steigt mit der (Wurzel der) Konzentration? Das Gegenteil, denn je verdünnter desto flacher wird die Kurve, bis irgendwann nix mehr da ist was man titrieren könnte. Außerdem widerspricht er sich noch auf der selben Seite selbst indem er schreibt:
"Dilution of the reagent solution results in a lower concentration of the components at the end-point, and consequently in an increased titer error for the unsymmetrical titration."
ach was, lower concentration = increased error, jetzt sind wir uns ja wieder einig :)

Auch was seine Schlüsse in Bezug auf die Genauigkeiten der Indikation betrifft stimme ich ihm zu:
"Assuming that the e.m.f. error is 0.5 m.v., and the color indicator error ±0.1 pH, it is seen from the equations given above that the absolute electrometric titration is intrinsically about twelve times as sensitive, and the inflection point titration three times as sensitive, as the color indicator titration."
Am besten = auf den absoluten pH des ÄP gehen. Am zweitbesten mit Ableitung ermitteln. Am wenigsten genau = mit Indikator (wobei er eine recht sportliche Anforderung stellt den Indikator auf ±0.1 pH genau visuell zu erkennen...)

Auch später, bei der genaueren Betrachtung der Wendepunkt-Methode schreibt er:
"For the unsymmetrical titration of the first H of a weak acid (Figs. 5 to 8.) there is in every case seen to be a maximum or minimum, and therefore an inflection point, precisely at the stoichiometric point."
Na bitte! Schwarz auf weiß, Wendepunkt passt! :thumbsup: :yeah:

Zu "Deviation of the Inflection Point from Stoichiometric Point" schreibt er:
"Examination of the general condition given by (8) or (8') shows, in conformity with the graphical analysis, that in the symmetrical titration an inflection point will always appear, but may not appear in the unsymmetrical titration."
Auch das ist nachvollziehbar, siehe zB der Versuch das dritte Proton von Phosphorsäure zu erwischen. Da oben gibt's nur eine "Delle" aber keinen Wendepunkt mehr. Starke Säuren haben das aber immer.

Dann folgt:
"The deviation in PH of the inflection point from the stoichiometric point in the titrations, respectively, of an acid and basic solution is given by equations (9) and (9’)."
und eine lange Formel die wieder mal aus dem Nichts fällt und erneut eine Widersprüchliche Interpretation:
"in other words, the inflection point may precede, follow or coincide with the stoichiometric point. More explicitly it is seen in agreement with the graphical analysis that the inflection point deviates from the stoichiometric point in the unsymmetrical titration, but coincides with the stoichiometric point in the symmetrical titration."
Huh? Was haben wir 2 Absätze vorher festgehalten? "For the unsymmetrical titration ... there is an inflection point, precisely at the stoichiometric point."?

Ich kann den nur bedingt ernst nehmen so... :idea2: :out:

Wie auch immer, ist ja schon 90 Jahre her :yeah:
Was ich als qualitative Aussage lese ist, dass es bei Titration schwacher Säuren mit starken Laugen eine asymmetrische Kurve gibt und der Äquivalenzpunkt vom Wendepunkt abweicht. Das ist mir nicht einsichtig. Und wie Poethke auf die Aussage "selbst starker Säuren bzw Basen" kommt, erst recht nicht.
Na dann sind wir schon zu zweit :D :thumbsup:
(und vorher die Elektrode in NH4 baden).
das macht keinen Unterschied, nur bei längerer Lagerung :)
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von mgritsch »

MarbsLab hat geschrieben: Montag 3. Februar 2025, 12:12 Auch das Kreisverfahren lässt sich mathematisch begründen. Hier wird ja der gegebene Graph um den Wendepunkt mittels zweier Kreissegmente appoximiert:
Stimmt, geometrisch macht das Sinn so :)
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von MarbsLab »

mgritsch hat geschrieben: Montag 3. Februar 2025, 18:21 schaut super ideal und rein visuell völlig symmetrisch aus
Das ist kein Beweis für Punktsymmetrie :D.
Es wäre also noch zu zeigen, dass ein Punkt \((a,b)\) existiert, sodass für die Funktion die Gleichung
\(f(x)=2b-f(2a-x)\)
\(\forall x \in \mathbb{D}\) gilt.
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mgritsch
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von mgritsch »

MarbsLab hat geschrieben: Montag 3. Februar 2025, 20:28 Es wäre also noch zu zeigen
Bitteschön, gerne, der gesamte Ausdruck steht oben :) ob pH=f(V) oder V=f(pH) tut dabei ja nichts zur Sache…

Aber ehrlich gesagt, wer hat gesagt dass eine Titrationskurve vollständig punktsymmetrisch sein muss? Hauptsache ÄP = Wendepunkt, davor und danach darf sie Faxen machen :) Lediglich für die Parallelenmethode wäre es notwendig. Wer mag darf sich das auch gerne ausdrucken und Kreise und Linien malen nach Herzenslust!
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von lemmi »

Sag mal, @ mgritsch, deine ganzen Kurven ... die sind doch berechnet und nicht gemessen, oder? Kann es sein, dass im Becherglas da noch andere Effekte reinspielen und sie dann doch asymmetrisch werden?

Meine Titrationskurven von Natriumacetat und Diclofenac waren jedenfalls nicht symmetrisch (nochmal klicken)! Da geht die Parallelenmethode nicht.

Wenn sich der Wendepunkt aus dem Berührungspunkt zweier Kreissegmente ergibt, dann muss die Krümmung der Titrationskurve doch einer Sinusfunktion folgen, oder? Ist das so?
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von MarbsLab »

Kurzer Einschub. Satt Kreissegment muss es Kreisbogen heißen. Hab' das in meinem Post auch korrigiert.
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mgritsch
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Montag 3. Februar 2025, 23:22 Sag mal, @ mgritsch, deine ganzen Kurven ... die sind doch berechnet und nicht gemessen, oder?

Ja natürlich, sie sollen ja auch die Grundsätze abbilden und die Aussagen von Poethke challengen und nicht die praktischen Messfehler erklären ;)
Kann es sein, dass im Becherglas da noch andere Effekte reinspielen und sie dann doch asymmetrisch werden?
Natürlich… Aktivität, Alkalifehler, defekte Elektroden, Carbonatfreiheit... :mrgreen:

Aber so what? Kannst du mal erklären was du mit „asymmetrisch“ überhaupt meinst? Dass die Kurven um den ÄP punktsymmetrisch wären ist sicher nicht so (du könntest nicht dort eine Nadel einstechen und den oberen Ast darum rotieren bis er den unteren deckt). Wenn ich meine berechnete Kurve etwas nach oben erweitere sieht man das auch, 60-80 ml vor und 120-140 ml nach dem ÄP symmetrisch verglichen hat nur noch halbe Steigung. Wenn du seeehr lange Alkali zugibst ist es irgendwann nur noch eine Horizontale, im Gegensatz zum anfänglichen Anstieg.

Um diese Art von „Asymmetrie“ geht es (mir) nicht. Die tut dem Tangentenverfahren (Parallelen) auch keinen Abbruch, manche legen die Parallelen sogar sehr nahe an die Krümmungen vgl zB

Ich beziehe mich bei „asymmetrisch“ auf den angeblichen Unterschied zwischen Wendepunkt und ÄP. Und Kollege Roller wiederum meinte damit anno ‘32 wohl nur dass Säure/Base Paare unterschiedlicher Stärke vorliegen.
Meine Titrationskurven von Natriumacetat und Diclofenac waren jedenfalls nicht symmetrisch (nochmal klicken)! Da geht die Parallelenmethode nicht.
Ich finde das sind einige der geradezu lehrbuchhaft schönsten Kurven! Lediglich beim Diclofenac selbst war alles ein bisschen wackelig und schräg, aus welchen Gründen auch immer. Verunreinigungen aus dem Präparat, eventuell auch die Pufferung durch die sekundäre Amin-Funktion des Moleküls selbst (weißt du zufällig den pKa oder pKb des -NH- ? ) „asymmetrisch“ finde ich allenfalls diese letzte Kurve ein bisschen, vor allem wegen der langen, geraden Schräge beim letzten Umschlag. Die wären aber auch alle der Tangentenmethode zugänglich, wenngleich man da nicht unbedingt gut an den flachen Teil anlegen könnte. Je flacher desto präziser natürlich der Schnitt.
Wenn sich der Wendepunkt aus dem Berührungspunkt zweier Kreissegmente ergibt, dann muss die Krümmung der Titrationskurve doch einer Sinusfunktion folgen, oder? Ist das so?
Oh nein, mitnichten. Der „ergibt sich“ nicht aus Kreisbögen, der ist nur streckenweise etwas ähnlich. Plus: Sinus ist zwar eine Kreisfunktion wie man sagt aber den Kreis(bogen) selbst beschreibt die Gleichung x2+y2=r2
Nicht alles was über eine kleine Strecke ähnlich ist ist gleich :)

Die Titrationskurve in der Form pH = f(V) beinhaltet wenn ich mich richtig erinnere das Element des sinh (Sinus hyperbolicus https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hyperbelfunktion), der resultiert wiederum aus dem Versuch eine Wurzel aus einem rationellen Term 3. Ordnung zu ziehen. Hässliche Sache sowas, deswegen macht das auch niemand und man begnügt sich mit Approximation indem man vereinfachte Annahmen trifft (alles sei dissoziiert, die Konzentration sei unverändert…) die aber immer nur in begrenzten Bereichen hinreichend genau zutreffen, so wie auch die Kreise.

Darum verzichte ich darauf und benutze einfach die andere Form, V=f(pH), denn die ist exakt und relativ komfortabel zu rechnen. Ich kann halt nicht beantworten „welcher pH liegt nach Zugabe von x ml vor?“ sondern nur „wie viele ml muss ich zugeben um auf einen pH von x zu kommen?“ gleiche Aussage und numerisch kann ich daraus auch die erste Frage beantworten.
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von lemmi »

Die Tangenten waren mir immer suspekt. Die kommen mir ziemlich beliebig vor - im Gegensatz zu den Kreisen, die ziemlich genau einzuschreiben sind. Wie machst du das, die Tangenten anzulegen? (falls das Video das erklärt: das schau ich mir später mal an 8) )
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von MarbsLab »

Da nur der Wendepunkt der Titrationkurve von Interesse ist, kann (und sollte) man sie nur in dem Bereich interpolieren. Ich habe dazu mal lemmis Titrationkurve und eine Funktion 3. Grades verwendet:
mdmxV4pv_single-1.jpg
"Best fit" ist hier:
\(f(x)=-0,03954x^{3}+1,55x^{2}-19,13x+83,32\)

Zweite Ableitung:
\(f''(x)=-0,23724x+3,09999\)

Zweite Ableitung gleich null setzen und Nullstelle berechnen:
\(-0,23724x+3,09999=0\)
\(x_{0}\approx 13,0669\)

Der Wendepunkt liegt also bei dieser Interpolation bei 13,0669 mit dem oben angegebenen Fehler.

Das verwendete curve fitting Programm ist online frei zugänglich: https://curve.fit/
Zu jeder Interpolation wird ein pdf wie oben generiert.

Vorteil des Verfahrens: mathematisch fundiert, für jeden nachvollziehbar und vor allem: beinhaltet Fehlerrechnung.
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Dienstag 4. Februar 2025, 08:28 (falls das Video das erklärt: das schau ich mir später mal an 8) )
ja das tut es, solltest du Dir zu Gemüte führen.
Die Tangenten waren mir immer suspekt. Die kommen mir ziemlich beliebig vor - im Gegensatz zu den Kreisen, die ziemlich genau einzuschreiben sind. Wie machst du das, die Tangenten anzulegen?
auch hier sehe ich das etwas anders :) Das Problem ist ein bisschen, dass der Mensch dazu neigt nach "Gefallen" zu interpolieren wie eine schöne Kurve aussehen sollte, dadurch hast du nach Augenmaß interpoliert, zusätzliche Punkte erschaffen. Wenn ich deine nackten Werte, ungeglättet aufplotte, mit Linien verbinde und versuche da Kreise sauber einzuschreiben dann macht das Probleme. Mittels "geoGebra" kann man das recht nett machen. Unterstützt wird das durch die Funktion einen Kreis über 3 Punkte auf seinem Umfang zu definieren, ich denke das ist nicht zu viel verlangt dass 3 Punkte der Kurve drauf passen sollten :) Sieht dann so aus.
GeoGebra Kreis-Fit.png
Der große rote Kreis, das passt sehr gut, der geht sogar durch 4 Punkte.
Aber für den kleinen blauen hab ich keinen gefunden der durch 3 Punkte geht und sich brauchbar anschmiegt. so wie jetzt eingezeichnet überlappen die Kreise schon (so wird das nix mit Wendepunkt) und beim Punkt ganz links sieht man dass das gar nicht tangential ist, Kreis und Linie schließen einen ganz hübsch großen Winkel ein.

Generell würde ich sagen mit so wenig Punkten ist einfach alles Kaffeesudleserei, die fehlende Messauflösung ist durch nichts wieder herzustellen.
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Re: Titration von Dihydrogenphosphat

Beitrag von mgritsch »

MarbsLab hat geschrieben: Dienstag 4. Februar 2025, 11:29 Ich habe dazu mal lemmis Titrationkurve und eine Funktion 3. Grades verwendet:
...
Vorteil des Verfahrens: mathematisch fundiert, für jeden nachvollziehbar und vor allem: beinhaltet Fehlerrechnung.
Uhhh ohhh... gaaaanz dünnes Ingenieurs-Eis :)

Ich stimme dir zu dass ein Fit mit Fehlerrechnung Vorteile hat. Aber nur dann, wenn die gefittete Kurve auch einen realen, physikalischen Hintergrund hat. Etwas beliebiges rein fitten und nur weil R² dann einigermaßen nahe 1 ist und meinen das wäre jetzt besser ist ein Fehler. (In der neueren Literatur auch kein seltener, muss man sagen. Die breite Verfügbarkeit verlockt).

Eine Titrationskurve ist jedenfalls kein kubisches Polynom, in keinem Abschnitt. Dadurch dass die kubische Kurve einfach nicht zum Soll past, wird etwas zur Abweichung erklärt, was vielleicht perfekt gepasst hätte. Und der Fehler wird durch das Differenzieren sogar noch schlimmer. Wenn ich den Fit zB nur mit den 6 Werten von 11-15 ml mache, bekomme ich gleich ein 0,2 ml niedrigeres Ergebnis (und ein höheres R² :yeah: ) was stimmt dann? Ein Polynom 4. Grades schafft R²= 0,9896, super, oder? Sogar ein dummer linearer Fit schafft ein R² von fast 0,96.

Die hübsche Grafik mit dem Vertrauensbereich suggeriert auch dass der Verlauf ja eh irgendwie ähnlich sei, allein wenn man sich die Kurve mal in Excel (hat das alles als Bordmittel, braucht keine Website) erstellen und mit plotten lässt kann einem schwindlig werden wie schlecht die passt:
Excel Fit.png
Und daraus möchtest du vernünftige Schlüsse ziehen? :dita: Jeder Dart-Wurf wäre passender :) Da passt ja nicht mal irgendwo die Steigung auch nur ungefähr, geschweige denn eine 2. Ableitung. In dem Fall zeigt der chemisch nicht sinnvolle (zu große) erhaltene Wert auch dass es daneben gehauen hat. Zur Ehrenrettung: wenn ich den Bereich noch enger wähle und nur von 11-14 ml kubisch fitte, dann kommt R²=0,9994 und 12,58 ml raus. Endlich das was ich vorher numerisch ermittelt hatte! ;)

Ebenfalls zu beachten, selbst wenn die Kurve stimmt: die Mathematische Logik der kleinsten Fehlerquadrate führt dazu, dass große Werte über-gewichtet und kleine untergewichtet werden, das kann gerade bei nicht passenden Funktionen und steilem Anstieg ganz ins Off führen.
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