Analyse historischer Chemikalien und Präparate

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lemmi
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von lemmi »

aliquis hat geschrieben: Samstag 25. Januar 2025, 17:45Natriumdihydrogenphosphat gibt (laut Wiki) sein Kristallwasser erst ab 100 Grad ab - auf der Heizung dürfte das schwerlich erreicht worden sein.
Ganz offensichtlich reicht die Heizungswärme zur völligen Entwässerung doch aus. Die niedrige Luftfeuchtigkeit im Winter trägt vielleicht auch dazu bei.
aliquis hat geschrieben: Samstag 25. Januar 2025, 17:45Indikatorgestützte Titration von Phosphorsäure resp. ihrer Hydrogensalze ist ab der zweiten Protolysestufe aufgrund der Pufferwirkung der Mischung in der Tat keine besonders zuverlässige Bestimmungsmethode mehr.
War immerhin mal eine amtliche Gehaltsbestimmungs-Methode (im DAB 7). In der Ph.Eur. wird jetzt aber nicht ohne Grund die potentiometrische Endpunktsbestimmung vorgeschrieben
aliquis hat geschrieben: Samstag 25. Januar 2025, 17:45Wie kamst Du ausgerechnet auf Arsen als mögliche Verunreinigung?
Arsen war vor allem früher eine häufige Verunreinigung in allen möglichen Chemikalien und Arzneistoffen. Es wurde vor allem über die zur Herstellung verwendete Schwefelsäure eingeschleppt. Die Arzneibücher verlangen daher bei zahlreichen Arzneistoffen eine Prüfung, damit ein prädefinierter Grenzwert (im niedrigen einstelligen ppm - Bereich) nicht überschritten wird.

Bei Phosphaten kommt erschwerend hinzu, dass Arsen ein konstanter Begleiter von Phosphor in der Natur ist. Phosphorsäure wurde früher ganz überwiegend durch Oxidation von Phosphor, z.B. durch Erhitzen mit Salpetersäure hergestellt. Aus mineralischen Rohstoffen hergestellter Phosphor enthält immer Arsen, weshalb die Darstellungsvorschriften für H3PO4 die Entfernung desselben durch Einleiten von H2S vorsehen. Nur aus Knochenasche gewonnener Phosphor ist arsenfrei - aber diese Quelle wurde seit 1800 immer weniger genutzt (war auch viel teurer).
Heute wird Phosphorsäure offenbar überwiegend direkt aus Phosphatmineralien hergestellt. Die Problematik der Kontamination durch Arsen bleibt dabei aber bestehen.

Ich muss meine Phosphorsäure und mein Na2HPO4 auch mal auf Arsen untersuchen!
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aliquis
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von aliquis »

Interessant Sache mit dem Arsen im Phosphat. Reicht die Konzentration noch für eine positive Marshsche Probe?

Zum Kristallwasserverlust: woher weisst Du, dass das heizungstrockene Phosphat bereits wasserfrei ist? Auf Gewichtskonstanz bei Erhitzen auf 100 Grad geprüft? Dem optischen Eindruck allein würde ich nicht trauen...
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lemmi
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von lemmi »

Mit der Marsh'sche Probe kann man 1 µg Arsen nachweisen, wenn sie sorgfältig gemacht wird. Ich habe damit 16 µg problemlos nachgewiesen.

Ich hab's - wie oben gesagt! - titriert. Der ermittelte Gehalt, berechnet auf wasserfreie Substanz war 97 % und ein paar Zerquetschte mit Phenolphtalein und über 99% mit Thymolphtalein. Lass den Fehler im Bereich von 1-2 % liegen - das kommt auf kein Hydrat hin.
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von aliquis »

Womöglich klappt die Marshsche Probe dann ja sogar mit meinem Phosphorsalz... 8)

Was den Wassergehalt Deines Salzes angeht, lehne ich mich jetzt erstmal nicht weiter aus dem Fenster (siehste, ich bin doch noch lernfähig... :wink: ), sondern bleibe gespannt auf Dein Ergebnis via pH-Metrie. :)

[EDIT by lemmi 31.1.25: die nachfolgenden Beiträge zum Thema Marsh'sche Probe wurden hierhin verschoben!]
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lemmi
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von lemmi »

aliquis hat geschrieben: Samstag 25. Januar 2025, 17:45 Natriumdihydrogenphosphat gibt (laut Wiki) sein Kristallwasser erst ab 100 Grad ab - auf der Heizung dürfte das schwerlich erreicht worden sein.
@aliquis, nach meinen Titrationen wollte ich schon schlecht von der Wikipedia sprechen, aber diese Aussage habe ich dort gar nicht gefunden :conf:
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von aliquis »

lemmi hat geschrieben: Dienstag 28. Januar 2025, 23:20 @aliquis, nach meinen Titrationen wollte ich schon schlecht von der Wikipedia sprechen, aber diese Aussage habe ich dort gar nicht gefunden :conf:
https://de.wikipedia.org/wiki/Natriumdihydrogenphosphat
Rechts im Kasten beim Schmelzpunkt:
"100 °C (Monohydrat) Abgabe des Kristallwassers[4]"

Das Dihydrat schmilzt bei 60 Grad im eigenen Kristallwasser.
Hast Du vorm Zerfall ein ansatzweises Zerfließen bemerkt?

Könnte es vll. sein, dass sich beim Ausfällen mit Ethanol erst gar kein Hydrat bildet? Oder gar eine Anlagerungsverbindung mit dem Alkohol?

Als ich neulich eine wässrige NaDHP-Lösung eingedampft habe, um für mgritsch herauszufinden, ob sich auch dieses Salz bei starkem Erhitzen in eine Metaphosphatschmelze umwandelt, die sich mit Metallen zu Phosphor reduzieren lässt (tut es), konnte ich beobachten, wie die Lösung vorher noch schlagartig zu einer voluminösen festen Masse erstarrte und aufpoppte (erinnerte optisch stark an die Boraxperle oder an die Herstellung von Phthalimid aus Harnstoff und Phthalsäureanhydrid).
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lemmi
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von lemmi »

aliquis hat geschrieben: Dienstag 28. Januar 2025, 23:32 Rechts im Kasten beim Schmelzpunkt:
"100 °C (Monohydrat) Abgabe des Kristallwassers[4]"
Das hast du falsch verstanden. Das heißt, das Monohydrat schmilzt bei 100°C und gibt dabei sein Kristallwasser ab (ergo: die Schmelze wird dann wieder fest). Das heißt nicht, dass es erst bei 100 °C sein Kristallwasser abgibt! Ist aber auch missverständlich, denn auf das Dihydrat trifft natürlich dasselbe zu.

Ich hatte ja 6,2 g schöne, klare Kristalle beim Abkühlen der gesättigten Lösung erhalten. Ich gehe mal davon aus, dass das das Dihydrat war. Schon beim Trocknen an der Luft ohne Heizung wurden die sehr schnell oberflächlich weiß. Die Verwitterung geht also ziemlich fix.
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von aliquis »

Ich hatte ja 6,2 g schöne, klare Kristalle beim Abkühlen der gesättigten Lösung erhalten. Ich gehe mal davon aus, dass das das Dihydrat war.
Das Ausfällen mit Ethanol ergab danach aber eher einen Kristallbrei, oder?
Schon beim Trocknen an der Luft ohne Heizung wurden die sehr schnell oberflächlich weiß.
Das ist etwas, was ich bei mit Alkohol gefällten Salzen schon häufiger beobachtet habe.
Aber dass man über Nacht auf der Heizung 100 % Anhydrat bekommt, habe ich noch bei keinem Salz erlebt.
Man lernt doch immer wieder hinzu.
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lemmi
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von lemmi »

Nachtrag: aus Neugier habe ich das Na2HPO4 und die Phosphorsäure aus dem Reagenzienschrank mit der Grenzprüfung auf Arsen untersucht. Beides mal negativ, also unter 0,5 ppm As. 8)
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von aliquis »

Also, keine Chance für die Marshsche Probe...
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MarbsLab
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von MarbsLab »

Zufälligerweise werde ich die Marshsche Probe demnächst auf de 50. Geburtstag meines Bruders vorführen :D . Hintergrund ist der, dass wir als Kinder Kalle Blomquist von Astrid Lindgren gelesen haben. In einem der Bücher untersucht Kalle Schokolade mittels Marshscher Probe auf Arsen (und wird fündig, soweit ich mich erinnere).
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lemmi
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von lemmi »

Das fand ich auch immer toll! Das Buch heißt auf Deutsch „Kalle Blomquist lebt gefährlich“. Als ich vor langer Zeit auf VC (Gott hab es selig!) was über die Marsh'sche Probe schireb habe ich die passende Stelle transskribiert:

“Aber wie kann man wissen, ob wirklich Arsenik darin ist?“ fragte der erdachte Zuhörer und sah hilflos und ratsuchend auf das Schokoladenstück.
„Man macht eine kleine Probe“ sagte der Meisterdetektiv ruhig “Die Marshsche Arsenikprobe. Und die gedenke ich jetzt vorzunehmen.“
Sein erdachter Zuhörer sah sich mit bewundernden Blicken in der Schrankkammer um. „Ein erstklassiges Laboratorium haben Sie hier, Herr Blomquist“, sagte er „ Sie sind sicher ein ausgezeichneter Chemiker, wie ich mir denken kann?“
„Na ja … ausgezeichnet … ich habe mir in meinem langen Leben ein gut Teil chemischer Kenntnisse angeeignet“, bestätigte der Meisterdetektiv bescheiden. „Die Chemie und die Kriminalistik müssen Hand in Hand arbeiten. Verstehen sie, junger Freund?“

Seine armen Eltern hätten, wenn sie jetzt dabeigewesen wären, bestätigen können, daß ein großer Teil in des Meisterdetektivs langem Leben tatsächlich chemischen Versuchen gewidmet gewesen waren. Sie hätten es wahrscheinlich anders ausgedrückt. Wahrscheinlich fanden sie, daß man der Wahrheit näher kam, wenn man sagte, er habe unzählige Male versucht, sich selbst und den gesamten Haushalt in die Luft zu sprengen, um einen Forschereifer zu befriedigen, der nicht immer von exaktem Wissen begleitet war.

Aber der erdachte Zuhörer besaß nichts von diesem Unglauben, der Eltern auszeichnet. Interessiert sah er zu, wie der Meisterdetektiv von einem Regal eine Anzahl Geräte, einen Spiritusbrenner und verschiedene Glasröhren und Büchsen nahm.
"Wie wird die Probe gemacht, von der sie vorhin sprachen, Herr Blomquist?"
"Zunächst benötigen wir dazu einen Wasserstoffapparat" sagte Kalle...


Bild Marsh´sche Probe - Kalle Blomquist.jpg
Bild Marsh´sche Probe - Kalle Blomquist.jpg (71.27 KiB) 138 mal betrachtet

Wie man sieht, bestanden schon damals erhebliche Vorurteile der chemisch mehr oder weniger unwissenden Eltern ihren experimentierenden Sprösslingen gegenüber ... aber das ist ein anderes Thema.
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MarbsLab
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von MarbsLab »

„Kalle Blomquist lebt gefährlich“ - natürlich! Da hat sich Astrid Lindgren bestimmt von Conan Doyle inspirieren lassen. Sherlock Holmes hat ja Chemie studiert als er Dr. Watson kennenlernte. Und in den Geschichten taucht Sherlock Holmes' "Tischlaboratorium" in der Baker Street immer wieder mal auf.
Mein Bruder wird aus dem Kalle Blomquist-Buch rezitieren, ich bin nur für das Experiment verantwortlich :) .
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andrewtretiakov
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von andrewtretiakov »

MarbsLab hat geschrieben: Donnerstag 6. Februar 2025, 16:47 Zufälligerweise werde ich die Marshsche Probe demnächst auf de 50. Geburtstag meines Bruders vorführen :D . Hintergrund ist der, dass wir als Kinder Kalle Blomquist von Astrid Lindgren gelesen haben. In einem der Bücher untersucht Kalle Schokolade mittels Marshscher Probe auf Arsen (und wird fündig, soweit ich mich erinnere).
Thank you for the suggestion Markus! I have now ordered the book and I'm looking forward to reading it!

I wish I could be there to see you perform the Marsh test at your brother's birthday! :thumbsup: Will it be filmed? I truly hope so.

Very best wishes,
Andres
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andrewtretiakov
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Re: Analyse historischer Chemikalien und Präparate

Beitrag von andrewtretiakov »

Dear all,

I hope you don't mind me sharing here a fantastic article with practical demo videos by my friend chemist extraordinaire Fabio Parmeggiani & colleagues!
FREE ACCESS HERE:
https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jchemed.4c00925

Enjoy this journey into the interesting chemistry of a 17th Century Apothecary!

Hope you like it.

Best wishes,
Andres
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