Noch eine Analysensubstanz !
Was mit
Natrium biphosphoricum gemeint ist, ist nicht von vorneherein klar. Bei zweibasischen Säuren macht die vorsilbe "bi-" beim Anion ja Sinn wie bei
Natrium bicarbonicum oder
Kalium bioxalcium. Phosphorsäure ist aber dreibasisch. Ist mit "biphosphoricum" jetzt ein primäres oder ein sekundäres Phosphat gemeint?
Da in den Arzneibüchern nach der altern lateinischen Nomenklatur das
di-Natriumhydrogenphosphat unter der Bezeichnung
Natrium phosphoricum geführt wurde, nahm ich an, dass mit
Natrium biphosphoricum das Natriumdihydrogenphosphat gemeint ist. Der pH-Wert der wässrigen Lösung bestätigte diese Annahme: er lag bei 4-5. Die Testung auf Phosphat war positiv.
Chlorid und Sulfat waren negativ. Daneben habe ich noch auf die gängigen Kationen getestet:
links: positiver Natriumnachweis mit
Kaliumhexahydroxoantimonat(V) - rechts: negativer Kaliumnachweis mit Kalignost
negativer Test auf Ammonium
Nun sah die Substnz nicht mehr gut aus - verbacken und an einigen Stellen auch bräunlich verfärbt, sogar einzelne braune Körnchen waren darin enthalten. Da sich das bei Aufbewahren in einer Glasstöpselflasche nicht erklären lässt, nehme ich an, dass der Stoff vorher woanders gelagert worden war - vielleicht in einem Glas mit Korkstöpsel. Jedenfalls habe ich mich entschlossen, ihn umzukristallisieren. Das Salz ist ausgesprochen gut wasserlöslich: für die 170 g in der Flasche benötigte ich ungefähr 70 ml Wasser (in der Siedehitze). Die Lösung war trübe, das Absaugen wegen der dickflüssigen Konsistenz beschwerlich und ich musste durch Zugabe von Wasser ein bisschen nachhelfen. Auf dem Filter blieb ein graubrauner Rückstand und das Filtrat war klar.

Beim Abkühlen bildeten sich nur ein paar klare, quaderförmige Kristalle (6,2 g), die beim Troknen an der Luft oberflächlich trüb wurden. Den Rest habe ich durch Zusatz von Ethanol (im ganzen ca 140 ml) zur Lösung gefällt, abgesaugt, mit etwas verdünntem Ethanol gewaschen und getrocknet. Das Kristallmehl zerfiel beim Trocknen auf der Heizung zu einem weißen Pulver. Erhalten wurden 120 g.
Unter der Annahme, dass initial das Dihydrat (NaH
2PO
4⋅2 H
2O, M = 156,0 g) vorlag, und nach dem Trocknen das wasserfreie Salz (NaH
2PO
4 M = 120,0 g) erhalten wurde, beträgt die Ausbeute insgesamt 95,4 %. Die Annahme wird durch eine Titration bestätigt. Allerdings habe ich gegen Thymolphtalein sowie gegen Phenolphtalein unter Zusatz von Kochsalz titriert, und der Umschlag ist beidesmal alles andere als scharf. Zur Gehaltsprüfung taugt die Methode nicht wirklich gut. Ich will das noch mal pH-metrisch machen, wofür ich aber mehr Zeit benötige.
Aber noch was anderes ist interessant! Eine der vom Arzneibuch vorgeschriebenen Reinheitsprüfungen betrifft die
Grenzprüfung auf Arsen. Ich habe 1 g der ursprünlichen Substanz geprüft (lt. Ph.Eur. soll man 0,5 g nehmen). Das Resultat war deutlich positiv:
links: Substanzprobe - rechts: nicht benutztes Reagenzpapier
Ließ sich das Arsen durch das Umkristallisieren beseitigen? Ich habe wieder geprüft und das Äquivalent von 1 g Dihydrat = 0,78 g Anhydrid eingesetzt, daneben eine Referenz und einen Leerwert, um sicherzugehen dass meine Regenzien auch wirklich arsenfrei sind:
oben links: Substanzprobe - obern rechts: Arsenat-Referenzlösung mit 1 μg Arsen - unten rechts: Reagenzienleerwert
Wie man sieht hat das Umkristallisieren nichts oder jedenfalls nicht viel gebracht. Das war zu erwarten, denn Arsenat ist Phosphat isomorph und wird ins Kristallgitter eingebaut. Der Arsengehalt liegt über 1 ppm. Allerdings wäre das Ergebnis noch im Rahmen der vom Arzneibuch gesetzten Toleranzgrenze. Diese beträgt 2 μg Arsen in 0,5 g Substanz (Dihydrat) und somit 4 ppm.
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"Wer nur Chemie versteht, versteht auch die nicht recht!" (G.C. Lichtenberg, 1742 - 1799)
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