Geeignete Maßnahmen, um einen Trinkwassernotvorrat keimfrei zu machen/halten

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aliquis
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Geeignete Maßnahmen, um einen Trinkwassernotvorrat keimfrei zu machen/halten

Beitrag von aliquis »

Diesmal ein echtes Alltagsthema – soweit man bei der Vorbereitung auf Notsituationen von „Alltag“ sprechen kann: die Desinfektion von Leitungswasservorräten.
Hintergrund ist folgender: im Zuge des Ukraine-Krieges und im Hinblick auf evtl. mögliche Eskalationen haben wir gemäß Empfehlung des BBK für unseren vierköpfigen Haushalt – neben weiteren Maßnahmen der Daseinsvorsorge – einen Leitungswasservorrat von insgesamt 80 Litern in vier 20-Liter-Kanistern angelegt. Dieser soll im Notfall vor allem zum Kochen und Zähneputzen dienen und würde vor Gebrauch wohl auch erst abgekocht werden (Gaskocher und Kartuschen stehen ebenfalls bereit). Zum Trinken selbst haben wir eigentlich immer 4 Kisten Mineralwasser sowie einige Liter an Säften und auch Softdrinks vorrätig.
Die Toilettenspülung würden wir im Notfall mit Grundwasser versorgen, das wir mittels unserer elektrischen Pumpe (die mit einem benzinbetriebenen Generator betrieben werden könnte) zu Tage fördern könnten. Körperpflege hoffen wir, mit vor Versiegen der öffentlichen Wasserversorgung schnell noch gefüllten Waschbecken, Wannen und Eimern sowie mittels Poolchemie desinfiziertem Grundwasser bewerkstelligen zu können.
In meiner Fragestellung geht es also wirklich nur um den Wasservorrat zum Kochen und Zähneputzen.
Vor gut zwei Jahren waren die blauen Wasserkanister wegen der hohen Nachfrage recht teuer, so dass ich auf normale weiße Kanister zurückgegriffen und diese nach Befüllung zum Schutz vor UV-Strahlung (Algen-Wachstum!) in den Lieferkarton zurückgestellt habe. Ich habe die Kanister vor Befüllen gut ausgespült, sonst aber keine weiteren Desinfektionsmaßnahmen ergriffen (was sich als Fehler herausstellen sollte). Anfänglich habe ich den Wasservorrat etwa alle 3-4 Monate erneuert, was auch ohne offensichtliche Probleme geklappt hat. Da mir der ständige Wasserwechsel aber allmählich lästig und zu aufwendig wurde, nahm ich mir nach dem letzten Wechsel Ende letzten Jahres einen sechsmonatigen Turnus vor. Bis gestern waren nun auch schon knapp sieben Monate vergangen, als ich den nächsten Wechsel vornehmen wollte. Zunächst wollte ich mich aber mittels Sicht- und Riechprobe von der Wasserqualität überzeugen: zwei Kanister waren dahingehend unauffällig, beim dritten roch es an der Öffnung muffig und im vierten schwammen Stücke einer undefinierbaren weißen Masse… 🤢
Man könnte natürlich versuchen, die entleerten Kanister möglichst gut zu reinigen und zu desinfizieren und dann wieder zu befüllen. In Aussicht dessen, bei Misslingen gleich wieder Keime in die nächste Befüllung zu tragen, nahm ich von dieser Überlegung aber schnell Abstand. Ohnehin gefiel mir die unhandliche Kanistergröße nicht, und die Tatsache, dass sie nicht UV-sicher sind, ebenso wenig.
Also habe ich mir nun acht blaue 10-Liter-Kanister bestellt – zum halben Preis wie noch vor gut zwei Jahren. Diese werde ich nach Erhalt und vor Befüllung mit Chlorbleichlauge desinfizieren und danach gut ausspülen.
Nun aber zum Kern meines Anliegens: der Keimfreihaltung während der Lagerdauer unter Festhalten an dessen geänderter Länge von 6 Monaten.
Es gibt ja Lösungen und Tabletten, mit denen man Wasser desinfizieren und/oder dauerhaft lagerfähig machen kann. Wirft man einen Blick ins Produktinformationsblatt, begegnen einem zunächst die guten alten Bekannten aus der Poolchemie: Trochlosen-Natrium bzw. Hypochlorit – mit dem Unterschied der völlig überhöhten Preise für relativ wenig Wirkstoffmenge. Was läge also näher, als die Wasservorräte mit den bereits vorhanden Poolchemikalien selbst zu desinfizieren? Umgerechnet auf die Wassermenge des Kanisters (10 Liter) bräuchte man zwischen 50 (Dauerbehandlung) und 200 mg (Stoßchlorung) Trochlosen. Zuvor würde ich noch – wie beim Pool – den pH-Wert mit Natriumhydrogensulfat auf 7,0 bis 7,4 einstellen (unser Leitungswasser ist mit 7,9 leicht basisch), damit das Chlor überhaupt freigesetzt werden und richtig wirken kann. Evtl. würde ich für eine leichtere Dosierung der Zusätze bei vergleichsweise kleinen Wassermengen eher mit vorverdünnten Lösungen arbeiten.
Um im Bedarfsnotfall den Chlor-Geruch/Geschmack vor Verwendung wieder loszuwerden, könnte man dann eine äquivalente Menge Anti-Chlor (Natriumthiosulfat) zusetzen. Die winzigen Mengen dabei freigesetzten elementaren Schwefels sind sicher besser tolerierbar als das Chlor.
Manche kommerzielle Trinkwasserzusätze enthalten zusätzlich Tabs mit Silber(nitrat), um den Wasservorrat nicht nur initial keimfrei zu machen, sondern diesen Zustand auch länger aufrecht zu erhalten. Hinsichtlich dieses Ansatzes bin ich mir jedoch nicht ganz sicher, ob das wirklich zielführend ist (dass sich Schimmelpilze auch in Anwesenheit von Schwermetallsalzen noch wohl fühlen können, hatten wir hier im Forum ja schon mal festgestellt) oder nicht nur zu einer unnützen Schwermetallbelastung im Gebrauchsfall führt.
Welcher Chlorzusatz ist für Trinkwasser besser: Hypochlorit (Chlorbleichlauge) oder Trochlosen? Wie ist die im Wasser etwaig verbleibende Cyanursäure gesundheitlich zu bewerten?
Eine noch weit kräftigere Desinfektionswirkung für Trinkwasser als Chlor soll Chlordioxid haben. Natriumchlorit ist als Feststoff oder Lösung im Handel erhältlich, mit Salzsäure angesäuert entsteht ein verwendbarer Wasserzusatz. Doch ist auch die Giftwirkung auf den Menschen ebenfalls deutlich stärker als bei den chlorhaltigen Mitteln.
Wie beurteilt Ihr die verschiedenen Methoden und meine dahingehenden Überlegungen? Wie würdet Ihr vorgehen?
P.S.: Bitte keine Vorwürfe von wegen Panikmache o. ä. Wer von den oben beschriebenen Vorsorgemaßnahmen nichts hält und meine diesbezügliche Sachfrage nicht ernst nehmen kann, braucht von mir aus gar nicht erst zu antworten…
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BJ68
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Re: Geeignete Maßnahmen, um einen Trinkwassernotvorrat keimfrei zu machen/halten

Beitrag von BJ68 »

Schau mal auf https://www.katadyngroup.com/de/de/bran ... ew/listing
z.B. https://www.katadyngroup.com/de/de/5010 ... c-1t~p6874 reicht für 400 L Wasser. U.U. wenn Du recht sauber arbeitest kann mit der Dosierung noch weiter runtergegangen werden.

bj68
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lemmi
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Re: Geeignete Maßnahmen, um einen Trinkwassernotvorrat keimfrei zu machen/halten

Beitrag von lemmi »

Ich hätte auch an Katadyn verwiesen. Das Wasser so gut wie möglich lagern und dann kurz vor Gebrauch einmal filtrieren ( grob) und danach mit Micropur versetzen.

Alternativ: einen Filter kaufen (auch bei Katadyn). Es gibt mehrere Modelle mit einer Kapazität von bis zu 50.000 Litern. Ich habe einen tragbaren Kleinfilter seit Jahren erfolgreich auf Reisen um Einsatz. Das zu filternde Wasser muss nur dem Augenschein nach so klar wie möglich sein und ist nach dem Filtern auch als Trinkwasser geeignet. Funktioniert tadellos!
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aliquis
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Re: Geeignete Maßnahmen, um einen Trinkwassernotvorrat keimfrei zu machen/halten

Beitrag von aliquis »

Auf diese kommerziellen Mittelchen bin ich auch schon gestoßen, aber letztlich ist da nur Poolchlor drin - mit dem Unterschied, dass ich für das Geld in einem Fall ein ganzes Kilo Granulat bekomme und im anderen nur wenige Gramm in Tablettenform...

Auch einige mg Silbernitrat zuzusetzen, würde ich mir im Zweifelsfall noch selber zutrauen, statt mir die Zubereitungen für teures Geld zu kaufen. Die Frage ist nur: ist das ratsam? Würdet Ihr Wasser mit Silberzusatz trinken?
Das ist ja noch wesentlich schlechter herauszuneutralisieren als Chlor...

Was haltet Ihr von Chlordioxid?
Ich muß mal ausprobieren, ob sich das auch mit Thiosulfat wieder unschädlich machen lässt...

Die physikalische Lösung mit dem Filter scheint die sanfteste Methode zu sein - auch wenn man sich kaum vorstellen kann, dass die Poren selbst mikroskopisch kleine Viren und Bakterien herausfiltern können sollen...
Ich sehe es eher als ergänzende Maßnahme zu den chemischen Methoden. Am besten hinterher auch noch abkochen - dreifach gereinigt sollte eine hohe Sicherheit bieten.

Edit: Wow, 380 Öcken für einen Wasserfilter, ganz schön happig. Genauso viel habe ich - mit knirschenden Zähnen - für mein Notstromaggregat ausgegeben. Da bekommt man vergleichsweise mehr Gerät für sein Geld...

Wenn ich das richtig verstehe, kommt man um die Dortierung mit Silber nicht herum. Die Wirkung von Chlor hält einfach nicht lang genug an.
Es gibt wohl auch Kombi-Pakete mit Na-DCCA zur Iinitialen Desinfektion. Gleichzeitig wird davor gewarnt, die Mittelchen selbst mit Wasser vorzuverdünnen, da das Silber dann durch Fällung als Chlorit (?) unwirksam würde. Wie passt das zusammen? Das Wasser im Kanister, in das das Silbernitrat hineinkommt, ist doch auch nur Leitungswasser und enthält Chlorid (und nach Zerfall des Chlorungsmittels sogar noch deutlich mehr). Vorverdünnen könnte man das Silberpräparat ja auch mit dest. Wasser.
Wenn Silber so eine tolle Langzeitwirkung hat, warum verwendet man es dann nicht auch in der Poolchemie?
Nur einmal zu Saisonbeginn zugeben statt jede Woche wieder Chlor. Das wäre auch olfaktorisch wesentlich angenehmer. Der hohe Preis spielt bei den geringen Mengen (1 g auf 10.000 Liter Wasser) jedenfalls kaum eine Rolle. Vermutlich ist die Schmutzlast und UV-Exposition im Pool einfach zu hoch dafür. Das schafft dann wiederum nur Chlor, es wirkt zwar nur kurz, aber dafür kräftig. Und es baut sich auch im Abwasser ab, während Silber eine Belastung bleibt.
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lemmi
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Re: Geeignete Maßnahmen, um einen Trinkwassernotvorrat keimfrei zu machen/halten

Beitrag von lemmi »

Mein kleiner Reisefilter hat um die 60 € gekostet. Es gibt auch größere mit mehr Durchsatz (Schwerkraftfilter), die viel billiger sind als die von dir angegebene Preisklasse. Die Filter halten pathogene Bakterien komplett zurück. Bei Viren bin ich mir nicht sicher (vermutlich nur die ganz grtoßen). Aber Viren vermehren sich nicht in zu lange gelagerten Trinkwasserproben.

Mit sind die Micropur-Tabletten lieber als irgendwelche selbst zusammengepanschten Lösungen. Da weiß ich dass sie hygienisch und stabil sind.

Wenn du sowieso abkochst, wozu dann noch chemisch desinfizieren?
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Re: Geeignete Maßnahmen, um einen Trinkwassernotvorrat keimfrei zu machen/halten

Beitrag von aliquis »

Gibt es den Reisefilter noch zu kaufen? Hast Du einen Link? Sonst halt tatsächlich der Schwerkraftsfilter - wobei ich 90 bis 140 Euronen für einen aufgehängten Beutel mit Altivkohlefilter immer noch recht teuer finde...
Abkochen wäre natürlich das Optimum. Ob das bei 80 Litern und einem Kartuschenbrenner realistisch ist, bezweifle ich selber.
Ich habe eine gute Feinwaage. Mein Silbernitrat ist aus dem Fachhandel und reinst. Mein Natriumhydrogensulfat ist lebensmittelrein. Und beim Poolchlor habe ich auch wenig Bedenken: viele Verunreinigungen sollten da eigentlich nicht drinnen sein, wenn Kinder beim Baden auch mal den einen oder anderen ml verschlucken.
Wie hygienisch man bei der Zubereitung arbeitet, hängt in beiden Varianten von einem selbst ab. Kritische Punkte sind eh vor allem die Kanister und die Wasserzuführung. Da muss man auch in beiden Fällen entsprechend vorarbeiten.
Grosser Vorteil der Vorbereitung ist, dass diese ja stressfrei und konzentriert ausserhalb der eigentlichen Krisensituation erfolgen kann. Erfahrungen können gesammelt, Rat eingeholt und bereits gemachte Fehler (wie in meinem Fall) noch korrigiert werden. Typische Fehler im Eifer des Gefechts (ggf. wortwörtlich...) sind dadurch zumindest vermeidbar.
Am Geschäft mit der Angst wird viel Geld verdient, weil der Kunde in solchen Zusammenhängen weniger rational und reflektiert agiert. 90 % entsprechender Angebote für sog. Prepper sind Nepp und Wucher. Bei den Wasser-Tabs lässt sich der Hersteller die Füllstoffe teuer bezahlen und der Kunde macht mit, weil er Konfektionierung eh gewohnt ist. Wo bekommt man denn heute noch lose Pülverchen oder selbstgedrehte Pillen in der Apotheke? Bei allem Sinn für Vorsorge sollte man sich kein X für ein U vormachen lassen. Vielmehr gilt da um so mehr, einen kühlen Kopf zu bewahren und genau hinzuschauen. Jetzt ist die Zeit dafür noch da, in der Not wird es damit schon schwieriger. Ob man die Dinge selbst präpariert oder fertig kauft, ist letztlich nur eine Frage des Portemonnaies. Wichtig ist, dass sie dann funktionieren, wenn sie gebraucht werden. In diesem Sinne vielen Dank für alle bisherigen und weiteren Tipps, da war bereits jetzt schon viel Brauchbares und Klärendes dabei. :thumbsup:

Edit: Gerade ausprobiert - Thiosulfat neutralisiert auch Chlordioxid.
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aliquis
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Re: Geeignete Maßnahmen, um einen Trinkwassernotvorrat keimfrei zu machen/halten

Beitrag von aliquis »

Hier habe ich ein Schwerkraftsfiltersystem für unter 100 Euro gefunden: https://www.wasserfilter-experten.de/ou ... gLbWPD_BwE
Immer noch viel Geld für zwei Plastikboxen...

@lemmi: Ist das Dein Reisefilter: https://bachgold-outdoor.com/products/b ... gL72fD_BwE ?

Ich schaue erstmal, wie sich das Wasser mit Silberzusatz in den desinfizierten blauen Kanistern nach 6 Monaten so gemacht hat und rüste dann ggf. nochmals nach.
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