Die synthetische Arbeit dieses Artikels habe ich weitestgehend, wenn auch deutlich unübersichtlicher, bereits auf ScienceMadness dokumentiert [1]. Da dort auch meine Fehlversuche und einige weiteren Gedankengänge beschrieben sind, könnte die entsprechende Diskussion trotzdem von Interesse sein.
Allgemeine Einleitung:
Für einen großen Teil des letzten Jahrhunderts war einer der prominentesten Bereiche der organischen Chemie die Kohlenwasserstoffchemie, mit dem Ziel zuvor als unmöglich gedachte Strukturen herzustellen und nachzuweisen, um so das grundlegende Verständnis dieser Wissenschaft zu verändern und die Grenzen der Chemie neu zu definieren. Einige strukturelle Kuriositäten aus der Zeit dieser Forschung sind in Abb.1 gezeigt [2][3][4][5].
Abb.1: Einige Highlights der Kohlenwasserstoffchemie, Tetra-t-butyltetrahedran (1), Twistan (2), ein [4.4.4.5]- Fenestran (3), in-[34,10][7]Metacyclophan (4) und Cuban (5)
Zu den Produkten dieser Arbeit gehört auch das Cuban System (5), ein perfekter aus acht Kohlenstoffatomen konstruierter Würfel, der durch seine ungewöhnlich kleine Bindungswinkel von 90° und als Teil der platonen Kohlenwasserstoffe (und entfernter der Prismane) von Interesse ist. Länger wurde seine Stabilität durch weitreichende Berechnungen vorhergesagt [6], und im Jahr 1964 konnte dies mit der ersten Synthese von P. E. Eaton endlich bestätigt werden [7]. Hierbei handelt es sich um ein 15-schrittiges Verfahren ausgehend von Cyclopentenon, welches im Jahr 1997 von J. Tsanatsidis zu einer 10-schrittigen Sequenz weiterentwickelt wurden [8][9]. Eine moderne Adaption dieser Synthese ist unten beschrieben.
Um im weiteren Verlauf dieses Artikels Verwirrung zu vermeiden ist eine kurze Erläuterung der IUPAC-Nomenklatur angemessen, da die Nummerierung des Cuban Systems auf den ersten Blick eher weniger intuitiv erscheint. Diese kommt hierbei auf Basis der „Pentacyclo[4.2.0.02,5,03,5,04,7]octan-Struktur“ zustande [10].
Abb.2: Nummerierung des Cuban-Systems nach IUPAC
Insgesamt mag Cuban zunächst jedoch nur wie ein weiterer ungewöhnlicher Kohlenwasserstoff erscheinen, strukturell interessant anzusehen aber weitestgehend nutzlos. Recht eindeutig ist mit der enormen Ringspannung noch das Potential in der Herstellung von Explosivstoffen [11][12], mit Abstand am prominentesten das Octanitrocuban [13], obwohl es hier mit den anhaltenden Schwierigkeiten der Herstellung wohl kaum eine tatsächliche Kommerzialisierung geben wird.
Dagegen eher unbekannt, jedoch immer weiter an Bedeutung gewinnend [14][15], ist das Potential von Cuban in der Entwicklung neuer Pharmazeutika, basierend darauf, dass es sich aufgrund der geometrisch nahezu identischen Anordnung bei 1,4-substituierten Cuban um ein Bioisoster zu para-substituiertem Benzol handelt [16].
Abb.3: Vergleich der geometrischen Anordnung von para-substituiertem Benzol und 1,4-substituiertem Cuban
Hierbei sind insbesondere zwei Aspekte vorteilhaft, die oft bessere Löslichkeit dieser Cuban-Biostere, da die π- π Wechselwirkungen von Benzol wegfallen, und, ironischerweise, ihre bessere metabolische Stabilität, da ohne vorliegenden π-Bindungen ein oxidativer Angriff durch die Cytochrome P450 erschwert wird, womit insgesamt eine bessere und selektivere Aktivität erreicht werden kann [17].
Abb.4: Einige Beispiele durch Cuban verbesserter Aktivität, Cubocain (6), Letepricube (7) und Diflucuburon (8)
Des Weiteren erlaubt die rigide dreidimensionale Struktur von Cuban die Erzeugung zuvor nur schwer erreichbarer Strukturen außerhalb der planaren Ebene, die ein äußerst wertvolles Mittel in der Optimierung von Rezeptorwechselwirkungen und somit auch Verbesserung von Medikamenten darstellen. Insgesamt mag Cuban im pharmakologischen Kontext somit als Benzol-Äquivalent mit zusätzlichen dreidimensionalen Substitutionsmöglichkeiten angesehen werden.
Synthetische Einleitung:
Im Rahmen dieses Artikels werden unsubstituiertes Cuban (5), Iodcuban (18)und 4-Chlorcubancarbonsäure (20) hergestellt. Hierbei fugiert Dimethyl Cuban-1,4-dicarboxylat (14) als allgemeines Ausgangsmaterial, welches selbst aus Cyclopentanon synthetisiert wird. Diese Diester Synthese erfolgt nach Vorschrift von D. E. Collin, A. Bartonek und B. Yan [18][19][20], und ein ähnliches, etwas längeres Verfahren wurde hier zuvor von TheCopperMan demonstriert (die exakten Unterschiede sind in der Erklärung kurz erläutert) [21].
Abb.5: Syntheseweg zum Dimethyl Cuban-1,4-dicarboxylat
Die Synthese von unsubstituiertem Cuban erfolgt über eine modifizierte Barton-Decarboxylerung nach [22].
Abb.6: Syntheseweg zum unsubstituiertem Cuban
Auch die Synthesen von Iodcuban und 4-Chlorcubancarbonsäure verlaufen über eine ähnliche Reaktion (im Falle der Halodecarboxylierung nur mit Tetrachlormethan anstelle von Chloroform), angelehnt and [16]. Im Falle von Iodcuban folgt dem noch eine Kochi-Decarboxylierung unter Verwendung von Iod und Blei(IV)-acetat (meine Notizen zu dessen Darstellung sind in [23] zu finden) nach Vorschrift von E. W. Della [24].
Abb.7: Syntheseweg zum Iodcuban
Abb.8: Syntheseweg zur 4-Chlorcubancarbonsäure
Geräte:
div. Rundkolben; div. Bechergläser und Erlenmeyerkolben; div. Kühler, Tropftrichter und andere Schliffbauteile; Magnetrührer mit Heizplatte (und Glyzerolbad / Heizblock / o.Ä.); Heizpilze; Rotationsverdampfer; Kugelrohrdistille; 36W UV-B Narrowband Lampe; 500 W Halogenlampe
Chemikalien:
Cyclopentanon

Ethylenglycol (MEG)

Brom

Schwefelsäure konz.

Salzsäure 37%

Natriumhydroxid

Thionylchlorid

2-Mercaptopyridin-N-oxid Natriumsalz (NaMPNO)

4-(N,N-Dimethylamino)pyridin (DMAP)

Blei(IV)-acetat

Iodb

Oxalylchlorid

N,N-Dimethylformamid (DMF)

Tetrachlormethan

Benzol

Tetrahydrofuran (THF)

Pentan

Chloroform
Ethylacetat
Dichlormethan (DCM)
Heptan

Hexan

Methanol

Ethanol

1,4-Dioaxan
Cyclohexan

Kationentauscher stark sauer

Silicagel 60Å

Natriumsulfat
Aktivkohle
1,4-Dioxaspiro[4.4]nonan

Diels-Alder Bisketal

Diels-Alder Bisketon

Cuban-1,4-dicarbonsäure

Dimethyl Cuban-1,4-dicarboxylat

Cuban-1,4-diacylchlorid

Cuban

Monomethyl Cuban-1,4-dicarboxylat

Methyl Cubancarboxylat

Cubanmonocarbonsäure

Iodcuban

Methyl 4-Chlorcubancarboxylat

4-Chlorcubancarbonsäure

Hinweis:
Die toxikologischen Eigenschaften der Intermediate und Produkte sind noch weitestgehend unerforscht, weshalb sie als Giftstoffe behandelt werden sollten.
Durchführung:
Schmelzpunkte wurden mit einer Electrothermal Schmelzpunktbestimmungsapparatur (Modell 1A8101) und Brechungsindexe mit einem A.Krüss Refraktometer (Modell AR4D) bestimmt. Dünnschichtchromatographie wurde auf Macherey-Nagel Alugram Sil G/UV Platten ausgeführt und, sofern nicht anders angemerkt, mit Cer(IV)-sulfat / Molybdatophosphorsäure („Seebach‘s-Stain“) angefärbt.
Dimethyl Cuban-1,4-dicarboxylat:
Cyclopentanon Ethylenketal (10): In einem 2 l Rundkolben (NS29) mit 5 cm ovalem Rührfisch werden 400 ml Cyclopentanon (4,52 mol), 640 ml Ethylenglycol (11,48 mol) und 800 ml Cyclohexan vorgelegt und mit 5 g stark sauerem Kationentauscherharz versetzt (Anmerkung 1). Eine Dean-Stark Apparatur mit Dimroth-Kühler wird aufgesetzt und so lange in einem zu 120 °C geheizten Glyzerolbad unter Rückfluss erhitzt, bis die Wasserentwicklung weitestgehend nachgelassen hat (310 g Destillat gesammelt) (Anmerkung 2). Die nun gelbe Lösung wird von der geringen Menge unreagierten Glycols und dem Kationentauscher abdekantiert, das dunkelgelbe Ethylenglycol noch zweimal mit je 50 ml Cyclohexan extrahiert, und die vereinte Produktlösung über Natriumsulfat getrocknet. Das Lösungsmittel wird am Rotationsverdampfer entfernt, und der gelbe Rückstand aus einem 1 l Rundkolben über eine 30 cm Vigreux-Kolonne unter Vakuum destilliert (Anmerkung 3). Zunächst werden ~150 ml Destillat, vermutlich verbleibendes Cyclohexan, bei 36-39 °C gesammelt (Anmerkung 4), und dann, nach Erhöhung des Vakuums, das Produkt bei 101-105 °C. Hieraus resultieren 496,6 g (87,5% d. Th.) einer klaren farblosen Flüssigkeit mit einem starken minzig-grasigem Geruch. n20D = 1.448; 1.448 lit.
Anmerkung 1: In der meisten Literatur ist diese Reaktion mit para-Toluolsulfonsäure und Toluol als Lösungsmittel beschrieben, hierbei erwies sich ein sauberes Fraktionieren von verbleibendem Toluol jedoch als schwierig. Zudem kommt es bei nicht ausreichender Destillationsrate durch Bildung von Schwefelsäure durch das Wasser zu einer verstärkten Teerbildung. Ausbeuten von 70-80% können trotz allem problemlos erreicht werden.
Anmerkung 2: Da ein Überschuss von Ethylenglycol verwendet wird, welcher durch Cyclisierung zu 1,4-Dioxan weiteres Wasser bildet, ist die gesammelte Menge keine gute Orientierung zum Reaktionsfortschritt.
Anmerkung 3: Da kein Vakuummessgerät vorlag kann keine Angabe zur Vakuumstärke gegeben werden
Anmerkung 4: Obwohl diese Fraktion einen deutlichen Ketal-Geruch besitzt konnte durch erneutes Fraktionieren kein weiteres Produkt gesammelt werden.
„Bisketal“ (11): In einem 1 l Dreihalskolben (3x NS29) mit 5 cm ovalem Rührfisch, ausgestattet mit Innenthermometer und einem 500 ml Tropftrichter, werden 50 g Cyclopentanon Ethylenketal (0,39 mol) (über 3A Molekularsieben getrocknet) in 310 ml 1,4-Dioxan (über Natrium / Benzophenon absolutiert) gelöst und für 15 min Argon in das Gemisch geleitet. Währenddessen wird der Tropftrichter mit 70 ml Brom (1,37 mol) (über Phosphor(V)-oxid redestilliert) bestückt, und der verbleibende Hals dann mit einer mit konz. Schwefelsäure befüllten Gaswaschflasche verbunden. Es wird im Eisbad auf 5-10 °C abgekühlt, das Brom über 3 h hinweg so zugetropft, dass die Temperatur 20 °C nicht überschreitet (Anmerkung 1), und die resultierende rote Lösung anschließend noch für 21 h bei Raumtemperatur (25-30°C) gerührt (Anmerkung 2) (Anmerkung 3).
Nun wird der Gasadapter entfernt und mit einem Dimroth-Kühler ausgetauscht, und anschließend eine Lösung von 121,4 g Natriumhydroxid (3,04 mol) in 610 ml Methanol über 1,75 h hinweg durch den Tropftrichter zugesetzt, wobei es zunächst zu einem Aufhellen in ein Hellgelb kommt, sich das Gemisch dann aber plötzlich wieder in ein hellbraun verdunkelt (Anmerkung 4). Es wird für 24 h in einem Heizmantel unter Rückfluss erhitzt, die noch heiße Suspension in 1,25 l Wasser gegossen, und der Reaktionskolben noch zweimal mit je 250 ml Wasser und etwas Ethanol ausgewaschen. Nach mehrstündigem Stehen im Kühlschrank wird der Niederschlag durch einen 10 cm Büchner Trichter abgenutscht, mit insgesamt ~300 ml Wasser gewaschen, und unter Vakuum über Silicagel getrocknet, woraus 66,04 g (83,4% d. Th.; 88% lit.) eines etwas cremefarbenen Pulvers resultieren [18].
Anmerkung 1: Zunächst kommt es in Folge der schnellen Monobromierung zu einem deutlichen Exotherm, im Verlauf der weiteren Zugabe steigt die Temperatur jedoch kaum noch an. Es ist äußerst wichtig, dass die Temperatur dabei 30 °C nicht überschreitet, da die anschließende Diels-Alder sonst nur in Teer resultiert [12].
Anmerkung 2: Die Reaktionsgeschwindigkeit ist äußerst Temperaturabhängig, während die Umsetzung bei 15 °C Tage in Anspruch nimmt ist die bei 27 °C nach wenigen Stunden abgeschlossen [12]. Folglich ist die angegebene Zeit von 21 h mit Vorsicht zu betrachten.
Anmerkung 3: Sofern eine Isolierung des intermediären Tribromids erwünscht ist kann sich an J. Tsanaktsidis 1997 Publikation orientiert werden [8]. Insgesamt fällt die Ausbeute so aber niedriger aus.
Anmerkung 4: Zunächst kommt es durch Neutralisation des gebildeten Bromwasserstoffs zu einem starken Exotherm der zum Sieden des Gemisches führt, interessanterweise scheint eine genaue Temperaturkontrolle hier jedoch irrelevant zu sein.
„Bisketon“ (12): In einem 500 ml Rundkolben (NS29) mit 5 cm ovalem Rührfisch werden 205 ml konz. Schwefelsäure (3,84 mol) vorgelegt und langsam in Portionen das gesamte Bisketal (66,04 g, 162,6 mmol) zugesetzt. Es wird mit ein wenig Schwefelsäure nachgespült, der Kolben verschlossen, und das braune Gemisch für 31 h bei Raumtemperatur (25-30 °C) gerührt. Es wird auf 1 l Eiswasser gegossen, der Feststoff nach zweistündigem Stehen im Kühlschrank durch einen 10 cm Büchner Trichter abgenutscht (Anmerkung 1), mit Wasser gewaschen, bis die ablaufende Flüssigkeit neutral ist, und dann unter Vakuum über Slicagel getrocknet. Hieraus resultieren 48,32 g (93,4%) eines feinen hellbraunen Pulvers, welches zur Reinigung unter Zugabe von 4,8 g Aktivkohlegranulat aus ~220 ml Ethylacetat umkristallisiert wird (Anmerkung 2) (Anmerkung 3), woraus 35,65 g eines durch Aktivkohlestaub etwas gräulichen kristallinen Pulvers resultieren. Durch Einengung der Mutterlauge am Rotationsverdampfer bis zur Kristallisation können noch 6,15 g eines cremefarbenen Pulvers isoliert werden. Durch weitere Einengung bis zum Trockenen bleibt ein grünes klebriges Öl zurück, welches durch Triturieren mit einem 2:1 Heptan / Ethylacetat Gemisch zum Kristallisieren gebracht und ebenfalls abgenutscht wird, woraus noch weitere 4 g eines cremefarbenen kristallinen Pulvers resultieren. Nach Trocknen unter Vakuum werden so 42,79 g (82,5% d. Th.; 84% lit.) des Produkts gesammelt, welches sich bei Analyse mit 1H-NMR als das gewünschte Bisketon von guter Reinheit erwies [18][25].
Cuban-1,4-disäure roh (13): In einem 50 ml-Doppelmantel Gefäß (NS24) (Anmerkung 1) mit 1,5 cm ovalem Rührfisch werden 1,4 g des Bisketons (4,4 mmol) in einem Gemisch von 45 ml Methanol, 8 ml Wasser und 75 µl konz. Schwefelsäure gelöst und 15 min Argon in das Gemisch geleitet. Das Gefäß wird verschlossen und für 24 h mit einer 36W Narrowband UV-B-Lampe (Philips UV-B PL-L 36W/01/4p 2G11) bestrahlt, während kühles Wasser durch den Mantel geleitet wird, woraufhin bei Analyse mit DC (3:1 Hexan / Ethylacetat) kein weiteres Ausgangsmaterial festgestellt werden kann. Bisketon rf=0,45; „Käfig“ rf=0,09 (Anmerkung 2)
Das Methanol der resultierenden gelben Lösung wird abrotiert, mit 7 ml Wasser verdünnt, und für 3 h mit aufgesetztem Allihin-Kühler im Sandbad unter Rückfluss erhitzt (Anmerkung 3). Zu dem etwas verdunkelten Gemisch wird nun eine Lösung von 4,05 g Natriumhydroxid (101 mmol) in 15 ml Wasser zugesetzt, wobei die Farbe sofort in ein Braunschwarz übergeht, und dann für 16 h weiter erhitzt. Nach Abkühlen wird durch Zugabe von 8 ml rauchender Salzsäure angesäuert, der Niederschlag nach mehrstündigem Stehen im Kühlschrank abfiltriert, mit etwas Wasser gewaschen, und unter Vakuum getrocknet. Hieraus resultieren 726 mg (81,6% d. Th.; 68% lit.) 726 mg eines glitzernden braunen Pulvers, welches ohne weitere Reinigung verestert wird [19].
Anmerkung 1: Diese Art von Gefäß mag im durchschnittlichen Labor eher untypisch sein, ein mit einer Schliffkappe verschlossener 300 mm NS14 Dimroth-Kühler (~120 ml Volumen) erwies sich jedoch ebenfalls als gut geeignet. Dabei ist zwar kein Rühren möglich, dies scheint jedoch keinen großartigen Einfluss zu haben.
Anmerkung 2: Der rf des Käfig-Intermediats mag auf den ersten Blick ungewöhnlich niedrig erscheinen, aufgrund der gespannten Struktur liegt dieser jedoch weitestgehend als Keton-Hydrat vor und hat somit eine hohe Polarität.
Anmerkung 3: In diesem Schritt werden potentiell gebildete Dimethylketale des Käfigs hydrolisiert.
Dimethyl Cuban-1,4-dicarboxylat (10): In einem 50 ml Rundkolben (NS29) mit 1,5 cm ovalem Rührfisch wird die gesamte rohe Disäure (726 mg; 3,8 mmol) in 6,3 ml trockenem Methanol aufgenommen und mit 86 mg stark sauren Kationentauscherharz (Anmerkung 1) versetzt. Der Kolben wird mit Argon ausgespühlt und dann für 14 h mit aufgesetztem Allihin-Kühler im Sandbad unter Rückfluss erhitzt. Nach Abkühlen scheidet sich ein kristalliner Feststoff ab, welcher durch Zugabe von 10 ml DCM gelöst wird, und die resultierende dunkelbraune Lösung wird vom Kationentauscher abfiltriert. Das Lösungsmittel wird abrotiert, der braunschwarze Rückstand in einem 30 ml Soxhlet-Extraktor mit ~60 ml Hexan extrahiert, und das Lösungsmittel der resultierenden gelblichen Lösung erneut abrotiert. Es werden 592 mg (61% d. Th.; 53,7% lit. (über zwei / drei Schritte)) (Anmerkung 2) eines gelblichen Feststoffs gesammelt, der bei 161-165 °C (161-165 °C lit.) schmilzt und für die meisten Anwendungen von ausreichender Reinheit ist. Trotzdem wurde er zur Reinigung aus MEK umkristallisiert, wobei aus 8,7 g Material 7,03 g weißer Kristalle resultieren (Anmerkung 3), die bei 164-165°C schmelzen und bei Analyse mit 1H-NMR, 13C-NMR und DC (5:1 Heptan / Ethylacetat; rf=0,27) als das gewollte Material von sehr guter Reinheit erscheinen [19][20].
Anmerkung 1: Ein Großteil der Literatur verwendet rauchende Salzsäure als Katalysator, da dadurch jedoch Wasser zum Gemisch zugesetzt wird, ist diese Methode insgesamt weniger ideal.
Anmerkung 2: Diese Ausbeute von 61% konnte ich zukünftigen Anläufen (trotz scheinbar identischer Durchführung) nicht reproduziert werden, 50-55% sind jedoch typisch. Bei Skalierung zu einem Maßstab von 109 mmol, unter Verwendung eines 2 l Reaktors mit zentral platzierter Lampe und einer Reaktionszeit von 300 h (!), konnten in einem ersten Anlauf jedoch nur 42,4% erreicht werden.
Anmerkung 3: Mehr Produkt, gut 1-1,5 g, hätte aus den Mutterlaugen isoliert werden können, diese wurde jedoch versehentlich auf der Heizplatte überhitzt und der Diester somit zerstört.
Cuban:
Cuban-1,4-dicarbonsäure (13): In einem 50 ml Weithals-Erlenmeyerkolben mit 5 mm zylindrischem Rührfisch werden 553 mg des Diesters (2,5 mmol) in einer Lösung von ~0,4 g Natriumhydroxid (10 mmol) in 15 ml Wasser aufgenommen und für 2 h auf der Heizplatte mit aufgesetztem Uhrglas zum Sieden erhitzt. Es wird durch Zugabe rauchender Salzsäure angesäuert, der Niederschlag nach Stehen im Kühlschrank abfiltriert, mit etwas dest. Wasser gewaschen und anschließend unter Vakuum über Phosphor(V)-oxid getrocknet. Hieraus resultieren 456 mg (94,9% d. Th.) eines weißen glänzenden Pulvers.
Cuban (5): In einem 50 ml Rundkolben (NS29) mit 5 mm zylindrischem Rührfisch werden 585 mg Cuban-1,4-dicarbonsäure (3,04 mmol) (Anmerkung 1) in 3 ml Thionylchlorid (41,4 mmol) (frisch über 1/5 seines Gewichts an Chinolin redestilliert) aufgenommen, der Kolben mit Argon ausgespült, und für 5 h mit aufgesetztem Allihin-Kühler im Sandbad unter Rückfluss erhitzt, wobei die Farbe ins Gelbe übergeht. Überschüssiges Thionylchlorid wird unter Vakuum abgezogen (Anmerkung 2) und der teils farblose teils bräunliche kristalline Rückstand des Disäurechlorids in 35 ml trockenem Chloroform (Anmerkung 3) gelöst.
Währenddessen werden in einem 100 ml Dreihalskolben (1x NS29, 2x NS14) mit 2,5 cm zylindrischem Rührfisch 1,81 g NaMPNO (12,1 mmol) und 38 mg DMAP (0,31 mmol) in 35 ml trockenem Chloroform (Anmerkung 3) aufgenommen, der Kolben mit einem Allihin-Kühler, einem Gasadapter und einem 50 ml Tropftrichter ausgestattet, und die Apparatur mit Argon ausgespült. Der Tropftrichter wird mit der Lösung des Intermediats bestückt, das Reaktionsgemisch im Sandbad zum Sieden erhitzt, und das Säurechlorid dann über 1 h hinweg zugetropft, während mit einer 500W Lampe belichtet wird. Anschließend wird das gelbbraune Gemisch noch für 4 h unter Bestrahlung der Lampe unter Rückfluss erhitzt, wobei sich die Farbe weiter verdunkelt, das Lösungsmittel abrotiert, und der braune klebrige Rückstand zwischen 50 ml n-Pentan und 50 ml 12,5%-iger Salzsäure partitioniert. Die wässrige Phase wird abgetrennt, die gelbliche organische Phase noch zweimal mit je 30 ml Wasser gewaschen, und dann über Natriumsulfat getrocknet. Das Lösungsmittel wird erneut am Rotationsverdampfer entfernt, und der dunkelgelbe ölige, teils farblose kristalline, Rückstand mit n-Pentan über 20 g 60A Silicagel gesäult (1,5 cm Säulendurchmesser) (Anmerkung 4). Nach Abrotieren des Lösungsmittels resultieren hieraus 223 mg (70,4% d. Th.; 58% lit.) weißer etwas waxiger Nadeln mit einem scharfen petrolartigen Geruch, die bei Analyse mit 1H- und 13C-NMR als das gewollte Produkt von guter Reinheit erscheinen [45].
Anmerkung 1: Die verwendete Substanz setzt sich aus der oben beschriebenen Disäure und einer älteren cremefarbenen Probe (223-224 °C decomp.; 224 °C lit.) zusammen, die durch Verseifung des nicht rekristallisierten Diesters hergestellt wurde.
Anmerkung 2: Aufgrund der Aggressivität der Dämpfe ist die Verwendung einer Wasserstrahlpumpe äußerst zu empfehlen. Eine gute Membranpumpe ist ebenfalls geeignet.
Anmerkung 3: Da das meist als Stabilisator zugesetzte Ethanol mit dem Säurechlorid reagieren würde, wurde das Chloroform vor Verwendung dreimal mit Wasser und einmal mit gesättigter Kochsalzlösung gewaschen und dann über 3A-Moleularsieben getrocknet.
Anmerkung 4: Da Cuban als reines Alkan deutlich unpolarer ist als alle potentiellen Nebenprodukte, wurde einfach eine einzige große Fraktion gesammelt bis beim Eindampfen einiger Tropfen des von der Säule laufen-den Lösungsmittels kein Feststoff zurückblieb.
Iodcuban:
Cuban-1,4-dicarbonsäure Monomethylester (15): In einem 250 ml Rundkolben (NS29) mit 3,5 cm zylindrischem Rührfisch werden 1,42 g des Diesters (6,45 mmol) in 60 ml THF gelöst. Eine Lösung von 285 mg Natriumhydroxid (7,1 mmol) in 3,3 ml Methanol wird tropfenweise zugesetzt, mit ein wenig Methanol nachgespühlt, und die resultierende weiße Suspension unter Argon und vor Licht geschützt für 16 h bei Raumtemperatur (20-25 °C) gerührt. Das Lösungsmittel des visuell unveränderten Gemisches wird abrotiert (Anmerkung 1), der weiße, amorphe Rückstand in ~40 ml Wasser gelöst, und die resultierende gelbliche Lösung dreimal mit je 10 ml DCM gewaschen. Es wird mit 2 ml rauchender Salzsäure angesäuert, dreimal mit je 20 ml DCM extrahiert (Anmerkung 2), und die vereinten Extrakte mit 30 ml Wasser gewaschen und anschließend über Natriumsulfat getrocknet. Das Lösungsmittel wird erneut am Rotationsverdampfer entfernt, woraus 1,31 g (98,5% d. Th., 95% lit.) eines weißen, in einigen Bereichen etwas gelblichen, glänzenden Feststoffs resultieren, der ohne weitere Reinigung weiterverwendet wird (Anmerkung 3) [16].
Anmerkung 1: Hierbei ist es wichtig, die Temperatur des Wasserbads möglichst niedrig zu halten (50 °C oder niedriger), da es bei einem weiteren Anlauf bei Verwendung eines zu 65°C geheizten Wasserbads zum Auftreten einer gewissen Pinkfärbung kam, die vermutlich auf thermischen Zerfall zurückzuführen ist
Anmerkung 2: Es wird zunächst nicht die gesamte Carbonsäure gelöst, da sich diese aber in der organischen Phase abscheidet kann sie leicht abgetrennt werden und wird im weiteren Verlauf der Extraktion vollständig gelöst.
Anmerkung 3: Nur bei dem in Anmerkung 1 erwähnten Anlauf wurde das Produkt aufgrund seiner recht starken Gelbfärbung zur weiteren Reinigung mit Heptan trituriert, woraus der Monoester als feine weiße glänzende Blättchen in 86,1% Ausbeute isoliert wurde.
Methyl Cubanmonocarboxylat roh (16): In einem 500 ml Zweihals-Schlenkkolben (1x NS29, 1x NS14) mit 5 cm dreieckigem Rührfisch werden 3 g des Monoesters (14,5 mmol) in 160 ml DCM (über 3A Molekularsieben getrocknet) aufgenommen und unter Argonfluss mit 1,5 ml Oxalylchlorid (17,7 mmol) versetzt. Ein Septum wird aufgesetzt, und dann mit einer Spritze ~0,1 ml DMF (1,3 mmol) zugegeben, wobei es sofort zu einer lebhaften Gasentwicklung kommt und sich der Feststoff zu lösen beginnt. Es wird noch 1 h bei Raumtemperatur (20-25 °C) gerührt, ein Großteil des DCMs mit Destillation in einem zu 50 °C geheizten Wasserbad entfernt, und der Rückstand unter Vakuum getrocknet (Anmerkung 1).
Das resultierende beige Säurechlorid wird in 140 ml trockenem Chloroform (Anmerkung 2) (Anmerkung 3) gelöst, und währenddessen in einem 500 ml Dreihalskolben (2x NS29, 1x NS14) mit 5 cm dreieckigem Rührfisch, ausgestattet mit Gasadapter, 250 ml Tropftrichter und Dimroth-Kühler, 3,31 g NaMPNO (22,2 mmol) und 20 mg DMAP (0,16 mmol) in 120 ml trockenem Chloroform (Anmerkung 2) (Anmerkung 3) aufgenommen. Die Apparatur wird mit Argon ausgespült, das Reaktionsgemisch im Heizmantel zum Sieden erhitzt, und dann über 1 h hinweg die gelbe Säurechlorid-Lösung durch den Tropftrichter zugesetzt, während mit einer 500W Lampe belichtet wird. Es wird noch für 5 h unter Bestrahlung der Lampe unter Rückluss erhitzt, und das resultierende bräunlich gelbe Gemisch zweimal mit 12,5%-iger Salzsäure (1x 100 ml, 1x 50 ml), einmal mit 50 ml gesättigter Natriumcarbonat-Lösung, einmal mit 50 ml Wasser, und einmal mit 50 ml gesättigter Kochsalz-lösung gewaschen, und dann über Magnesiumsulfat getrocknet. Das Lösungsmittel wird abrotiert und der dun-kelbraune ölige Rückstand im Kugelrohr destilliert (2 mbar, 120-140°C), woraus 3,3 g (139% d. Th.) (Anmerkung 4) einer teils kristallinen teils farblosen Substanz resultieren, die als solche weiterverwendet wird [16].
Anmerkung 1: Aufgrund der Aggressivität der Dämpfe ist die Verwendung einer Wasserstrahlpumpe äußerst zu empfehlen. Eine gute Membranpumpe ist ebenfalls geeignet. Diese sind zwar nicht in der Lage die geringe Menge DMF zu entfernen, dies hat aber keinen Einfluss auf die anschließende Umsetzung.
Anmerkung 2: (Siehe Cuban Anmerkung 3)
Anmerkung 3: Bei genauer Befolgung der Vorschrift sollten je 155 ml Chloroform verwendet werden, es waren zum Zeitpunkt der Durchführung jedoch nur noch 260 ml vorhanden.
Anmerkung 4: Es ist unklar welche Verunreinigung noch vorliegt und die Ausbeute scheinbar erhöht, diese wird aber problemlos in der folgenden Verseifung entfernt.
Cubanmonocarbonsäure (17): Das gesamte Material des vorherigen Schrittes wird in einem 100 ml Rundkolben (NS29) mit Siedestein in einer Lösung von 2 g Natriumhydroxid (50 mmol) in ~30 ml Wasser aufgenommen und mit aufgesetztem Dimroth-Kühler für 2 h im Heizmantel unter Rückfluss erhitzt. Hierbei geht die Farbe in ein Orange über und ein wenig unlöslichen Teers fällt aus (Anmerkung 1), und das Gemisch wird dann dreimal mit je 20 ml DCM gewaschen. Verbleibendes unlösliches Material wird durch Filtration entfernt, die resultierende gelbe Lösung mit 10 ml rauchender Salzsäure angesäuert und dreimal mit je 20 ml DCM extrahiert. Die vereinten gelben Extrakte werden über Natriumsulfat getrocknet, das Lösungsmittel abrotiert, und das zurückbleibende gelbe Pulver in ~60 ml siedendem Heptan gelöst. Es wird von der geringen Menge unlöslichen Materials abdekantiert, auf ein Volumen von 10 ml eingedampft, und der Feststoff nach Abkühlen im Gefrierschrank abfiltriert. Es wird mit ein wenig Heptan nachgespült und anschließend unter Vakuum getrocknet, woraus 1,68 g (77,7% d. Th.; 79,2% (über drei Schritte)) hellgelber Kristalle resultieren, die bei 122-125 °C (124-125 °C lit.) schmelzen und bei Analyse mit 1H-NMR als das gewollte Produkt von guter Reinheit erscheinen (Anmerkung 2).
Anmerkung 1: Die Teerbildung ist sehr wahrscheinlich auf einen basekatalysierten Zerfall der nicht charakterisierten Verunreinigung zurückzuführen.
Anmerkung 2: In der Literaturvorschrift wurde der intermediäre Methylester säulenchromatographisch gereinigt, trotzdem ist die daraus hergestellte Säure als gelb beschrieben.
Iodcuban (18): In einem 500 ml Dreihalskolben (2x NS29, 1x NS14) mit 3,5 cm ovalem Rührfisch, ausgestattet mit Gasadapter und Dimroth-Kühler, werden 1,43 g Cubanmonocarbonsäure (9,7 mmol) in 190 ml Benzol (über 3A MS getrocknet) gelöst und für 30 min Argon in die gelbe Lösung geleitet. 5,32 g Blei(IV)-acetat (12 mmol) und 5,79 g Iod (22,8 mmol) werden nacheinander zugesetzt, die Apparatur mit Argon ausgespühlt, und für 3 h unter Bestrahlung einer 500 W Lampe im Heizmantel unter Rückfluss erhitzt. Der orangegelbe Niederschlag an Bleiiodid wird durch Glaswolle abfiltriert, die Permanganat-violette Lösung dreimal mit je 100 ml verdünnter Natriumsulfit Lösung gewaschen, über Natriumsulfat getrocknet, und das Lösungsmittel der hellgelben Lösung abrotiert. Der dunkelgelbe Rückstand wird zur Reinigung im Kugelrohr destilliert (10-15 mbar, 140°C), woraus 2 g (90% d. Th.; 90% lit.) (Anmerkung 1) einer schwach gelblichen Flüssigkeit resultieren, die um Raumtemperatur (31 °C lit.) unter Bildung farbloser Nadeln kristallisiert und bei Analyse mit 1H-NMR und GCMS als das gewollte Produkt von ausreichender Reinheit erscheint.
Anmerkung 1: In einem kleineren Anlauf auf einem Maßstab von 1,5 mmol wurde eine Ausbeute von 86,4% erreicht. Vermutlich ist dies auf größere Verluste bei der Destillation zurückzuführen.
4-Chlorcubancarbonsäure:
Methyl 4-Chlorcubylcarboxylat roh (19): In einem 250 ml Zweihalskolben (1x NS29, 1x NS14) mit 2,5 cm zylindrischem Rührfisch und Gasadapter werden 1,16 g des Monoesters (5,6 mmol) in 60 ml DCM (über 3A Molekularsieben getrocknet) suspendiert und unter Argonfluss mit 0,6 ml Oxalylchlorid (7,1 mmol) versetzt. Ein Septum wird aufgesetzt, und dann mit einer Spritze ~0,05 ml DMF (0,7 mmol) zugegeben, wobei es sofort zu einer lebhaften Gasentwicklung kommt und sich der Feststoff zu lösen beginnt. Es wird über Nacht bei Raumtemperatur (15-20 °C) gerührt, ein Großteil des DCMs mit Destillation in einem zu 55 °C geheizten Wasserbad entfernt, und der Rückstand unter Vakuum getrocknet (Anmerkung 1).
Das resultierende beige-gelbe Säurechlorid wird durch leichtes Erwärmen mit einer Heißluftpistole in 15 ml Tetrachlormethan (über 3A Molekularsieben getrocknet) gelöst. Währenddessen werden in einem 100 ml Dreihalskolben (3x NS14) mit 2,5 cm zylindrischem Rührfisch 1,27 g NaMPNO (8,5 mmol) und 10 mg DMAP (0,08 mmol) in 10 ml Tetrachlormethan (über 3A Molekularsieben getrocknet) suspendiert, der Kolben mit einem Gasadapter, einem Dimroth-Kühler und einem 100 ml Tropftrichter ausgestattet, und die Apparatur mit Argon ausgespült. Der Tropftrichter wird mit der oben hergestellten Lösung bestückt (mit 5 ml Tetrachlormethan nachgespült), die Suspension im Sandbad zum Sieden erhitzt, und unter Bestrahlung einer 500 W Lampe über 40 min hinweg die Säurechlorid-Lösung zugetropft, wobei ein Farbverlauf von weiß nach gelb nach grünlich nach grau erkennbar ist. Es wird noch für 4 h unter Belichtung unter Rückfluss erhitzt, das Lösungsmittel im siedenden Wasserbad abdestilliert, verbleibende Reste unter Vakuum abgezogen, und der dunkelbraune ölige Rückstand, der sich bei längerem Stehen verfestigt, zwischen 25 ml DCM und 25 ml 12,5%-iger Salzsäure partitioniert. Die organische Phase wird abgetrennt, noch zweimal mit je 10 ml DCM gewaschen, und die vereinten dunkelbraunen Extrakte mit 15 ml Wasser und 15 ml gesättigter Natriumcarbonat-Lösung gewaschen und über Natriumsulfat getrocknet. Das Lösungsmittel wird abrotiert, und der dunkelbraune kristalline Rückstand zur Reinigung (Anmerkung 2) im Kugelrohr destilliert (1-2 mbar, 130 °C), woraus 1,17 g (106% d. Th.) (Anmerkung 3) einer farblosen bis leicht gelblichen kristallinen Masse resultieren, die als solche weiterverwendet wird [16].
Anmerkung 1: (Siehe Methyl Cubanmonocarboxylat Anmerkung 1)
Anmerkung 2: Alternativ zur Destillation des Methylesters ist auch eine direkte Weiterverwendung des Roh-produkts möglich, sofern stattdessen eine zusätzliche Umkristallisation der Carbonsäure aus Toluol durchge-führt wird. Da dies, zumindest auf solch kleinen Maßstäben, jedoch tendenziell zu höheren Verlusten führt (es wurde eine Ausbeute von 39,9% erreicht), ist die beschriebene Vorgehensweise vorzuziehen.
Anmerkung 3: (Siehe Methyl Cubanmonocarboxylat Anmerkung 4)
4-Chlorcubancarbonsäure (20): Das gesamte Material des vorherigen Schrittes wird in einem 50 ml Rundkolben (NS29) mit Siedeperlen in einer Lösung von 1 g Natriumhydroxid (25 mmol) in ~30 ml Wasser aufgenommen und mit aufgesetztem Dimroth-Kühler für 4,5 h im Sandbad unter Rückfluss erhitzt, wobei die Farbe in ein braungrün übergeht und ein wenig eines braunen Feststoffs ausfällt (Anmerkung 1). 10 ml DCM werden zugesetzt, weiterhin ungelöstes Material mit Filtration durch etwas Glaswolle entfernt, die wässrige Phase abgetrennt, und noch zweimal mit je 10 ml DCM gewaschen. DCM Reste werden unter Vakuum abgezogen, die resultierende gelbe Lösung durch Zugabe von Salzsäure angesäuert, der Niederschlag abfiltriert, mit mehr Wasser gewaschen, und unter Vakuum über Calciumchlorid getrocknet. Hieraus resultieren 627 mg (61,3% d. Th.; 55,6% lit. (über drei Schritte)) (Anmerkung 2) eines cremefarbenen Pulvers, das bei Analyse mit 1H- und 13C-NMR als das gewollte Produkt on guter Reinheit erscheint.
Anmerkung 1: (Siehe Cubanmonocarbonsäure Anmerkung 1)
Anmerkung 2: In der Literaturvorschrift wird der intermediäre Methylester säulenchromatographisch gereinigt und die daraus resultierende Carbonsäure als weiß beschrieben, jedoch ist auch das isolierte cremefarbene Produkt problemlos weiterverwendbar, weshalb die erarbeitete hier beschriebene Vorschrift aufgrund seiner etwas höheren Ausbeute vorzuziehen ist.
Entsorgung:
Die verwendeten Lösungsmittel werden redestilliert. Verbleibende Rückstände werden in die halogenhaltigen organischen Abfälle gegeben.
Erklärung:
Bei dem ersten Schritt handelt es sich um eine typische säurekatalysierte Ketal-Synthese zwischen einem Diol (Ethylenglycol) und einem Keton (Cyclopentanon).
Abb.9: Mechanismus der Herstellung des Ketals
Im zweiten Schritt wird Cyclopentanon Ethylenketal zunächst unter Verwendung von Brom in Dioxan tribromiert (der Mechanismus hierzu ist komplex und noch nicht vollständig geklärt, ein Vorschlag ist jedoch in […] zu finden). Dieses Tribromid wird dann durch Zugabe von Hydroxid über eine E2-Mechanismus zum 2-Bromcyclopentadienon Ethylenketal eliminiert, welches schnell über eine Diels-Alder zum gewünschten Bisketal dimerisiert. Hierbei ist trotz der geringeren thermodynamischen Stabilität des Produkts aufgrund von sekundären Wechselwirkungen eine endo-Selektivität zu beobachten (Aldersche endo-Regel).
Abb.10: Mechanismus der Bisketal Synthese
Dann werden die Ethylenketale unter Verwendung von konzentrierter Schwefelsäure hydrolisiert, wobei der Prozess mit Restwasser in der Säure nach dem typischen Mechanismus einer säurekatalysierten Ketal-Hydrolyse abläuft. Das abgespaltene Ethylenglycol bildet anschließend durch Eliminierung zum Acetaldehyd (dieses führt durch Polymerisierung zu der Braunfärbung) oder Dimerisierung zum Dioxan Wasser nach. Unter Verwendung von Salzsäure in THF (oder DCM) könnte selektive das konjugierte Keton entschützt werden, wie zuvor von TheCopperMan beschrieben wurde [12][21].
Abb.11: Mechanismus der Entschützung zum Bisketon
Im vierten Schritt werden die beiden Doppelbindungen des Bisketons durch Bestrahlung mit UV-Licht zu einem Cyclobutan Ring cyclisiert. Diese Reaktion läuft über den typischen Mechanismus einer [2+2]-Cycloaddition ab, wobei das konjugierte Keton zunächst (über seinen kurzlebigen Singulett-Zustand) in seinen Triplett-Zustand überführt wird (vereinfacht als Diradikal zu betrachten), welches dann Schrittweise mit dem verbleibenden Alken reagiert. Bei Verwendung des konformationell stärker eingeschränkten Bisketons erlaubt hierbei nur ein sehr kleiner Abschnitt im relativ schwer zugänglichen UV-B Bereich (um 315 nm) die Reaktion, weshalb vor allem in ältere Publikationen (und auch von TheCopperMan in seinem Artikel) auf Verwendung des Monoketal-Monoketons zurückgegriffen wurde, womit die Verwendung einer typischen Niederdruck-Quecksilberdampflampe möglich wird […]. Einen alternativen Ansatz stellt die Zugabe eines Photosensibilisators wie Benzophenon oder Xanthon dar, womit die Verwendung leicht zugänglicher blauer LEDs möglich wird [20][26].
Abb.12: Mechanismus der [2+2]-Cycloaddition
Aus der resultierenden „Käfig-Verbindung“ (diese liegt aufgrund der Ringspannung in großen Teilen als Ketonhydrat vor) wird dann durch Zugabe von Hydroxid, über eine doppelte Faworskii-Ringkontraktion, endlich das Cuban-System in Form seiner 1,4-Dicarbonsäure gebildet. Da die Ketone hierbei nicht enolisierbar sind (Bredtsche Regel), ist der Mechanismus der Umsetzung der einer typischen quasi-Faworskii Reaktion.
Abb.13: Mechanismus der Cubandicarbonsäure Synthese
Da die hieraus resultierende Disäure nur schwer zu Reinigen ist, wird sie anschließend noch über eine säurekatalysierte Fischer-Veresterung mit Methanol zum entsprechenden Dimethylester überführt.
Abb.14: Mechanismus der säurekatalysierten Veresterung
Um eine Derivatisierung zu ermöglichen wird dieser Diester dann wieder verseift, wobei dieser Prozess je nach verwendeter Hydroxidmenge und Reaktionsbedingungen vollständig (unter Bildung der Disäure) oder teilweise (unter Bildung des Monoesters) abläuft. Auch die spätere Hydrolyse des Methyl Cubanmonocarboxylats und Methyl 4-Chlorcubancarboxylats läuft über einen analogen Mechanismus ab.
Abb.15: Mechanismus der Verseifung der Methylester
Zur Überführung in unsubstituiertes Cuban wird zunächst durch Reaktion der Disäure mit Thionylchlorid das Diacylchlorid gebildet, wobei als Nebenprodukt gasförmiger Chlorwasserstoff und Schwefeldioxid freigesetzt werden, wodurch die Reaktion vorangetrieben wird. Der Mechanismus ist hierbei für diesen Reaktionstyp nicht weiter ungewöhnlich.
Abb.16: Mechanismus der Diacylchlorid Synthese unter Verwendung von Thionylchlorid
Zur Herstellung monosubstituierter (oder unsymmetrisch substituierter) Cubane wird ebenfalls das Säurechlorid, nur diesmal das des Monoesters, gebildet, wobei jedoch, um eine Spaltung des Methylesters zu vermeiden, als mildere Methode Oxalylchlorid mit DMF Katalyse verwendet wird. Hierbei bildet sich zunächst ein Vilsmeier Reagenz, welches dann nach einem zur Chlorierung mit Thionylchlorid vergleichbaren Mechanismus das Säurechlorid bildet. Auch hier wird die Reaktion durch Freisetzung gasförmiger Produkte (Kohlenstoffmonoxid und -dioxid) vorangetrieben.
Abb.17: Mechanismus der Säurechlorid Synthese unter Verwendung von Oxalylchlorid
Eine exzellente Methode zur Herstellung substituierter (und auch unsubstituierter) Cubane aus den entsprechenden Säurechloriden ist die Barton Decarboxylierung. Hierbei bildet sich zunächst über eine durch DMAP katalysierte Einhorn Acylierung ein Ester mit 2-Mercaptopyridin-N-oxid (Barton-Ester), welcher anschließend unter Bestrahlung mit Licht über einen radikalischen Mechanismus mit einer Vielzahl an funktionellen Gruppen substituiert werden kann. Hier demonstriert wurde die Verwendung von Chloroform als H-Donor und Tetrachlormethan als Cl-Donor, auf analoge Weise könnte jedoch auch Diacetyl als Acetyl-Donor und 2,2,2-Trifluoriodethan als I-Donor verwendet werden [24].
Abb.18: Mechanismus der Barton Decarboxylierung
Bilder:
Abb.19-22: Synthese des Ketals
Abb.22-27: Synthese des Bisketals
Abb.29-31: Synthese des Bisketons
Abb.32-36: Synthese der rohen Cuban-1,4-dicarbonsäure
Abb.37-40: Synthese von Dimethyl Cuban-1,4-dicarboxylat
Abb.41-45: Synthese von unsubstituiertem Cuban
Abb.46-48: Synthese des Monomethyldicarboxylats
Abb.49-52: Synthese von Methyl Cubanmonocarboxylat
Abb.53: Cubanmonocarbonsäure
Abb.54-57: Synthese von Iodcuban
Abb.58-60: Synthese von 4-Chlorcubancarbonsäure
Literatur:
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