Chlor ist ein starkes Oxidationsmittel, in welchem einige Stoffe verbrennen und manche sich sogar von selbst entzünden können.
Geräte:
Stativ und Zubehör, Saugflasche, Tropftrichter, Mörser und Pistill, Magnetrührer, Rührfisch, Standzylinder, Kies, Uhrglas, Frischhaltefolie, Schläuche und Schlauchstücke, Erlenmeyerkolben (100 ml), Luftballon, Stopfen mit Loch, Einweghahn (Glashahn), Gaseinleitungsrohr, Küchenpapier, große Pinzette, kleine Plastiktüte, Akkubohrer, Metallstange (5 mm), Pappe, Klebeband
Chemikalien:
Trichlorisocyanursäure

Salzsäure, 15 %

Calciumcarbid

Orangenöl

Messingdraht (0,3 mm)
Schlagmetall (Farbe "mittelgold", lose)
Wasser
Chlor

Acetylen

Hinweis:
Wegen der Giftigkeit des Chlors unter dem Abzug oder bei Windstille im Freien arbeiten!
Durchführung:
Herstellung von Chlor:
In einer Saugflasche (250 ml) legt man 12 g grob gepulverte Trichlorisocyanursäure (TCCA) vor, gibt einen Rührfisch dazu und stellt die Flasche auf einen Magnetrührer. Man schließt einen Tropftrichter an und lässt 37 ml 15%ige Salzsäure zur TCCA fließen (1-2 Tropfen pro Sekunde). Dabei wird kräftig gerührt, um den entstehenden Schaum zu zerschlagen. Das Chlor wird über einen PVC-Schlauch in einen Standzylinder geleitet. An der aufsteigenden Gelbfärbung erkennt man, wann der Zylinder gefüllt ist. Er wird dann mit einem Uhrglas abgedeckt. Mit den oben genannten Mengen TCCA und Salzsäure werden ca. 3 Liter Chlor gebildet.
Selbstentzündung von Acetylen:
Zu 50 ml Wasser in einem 100-ml-Erlenmeyerkolben wird ein 1-2 cm großes Stück Calciumcarbid gegeben und ein Luftballon auf die Kolbenöffnung gestülpt. Nachdem der Ballon mit etwa 100 ml Gas gefüllt ist, lässt man das noch mit restlicher Luft vermischte Acetylen durch kurzes Öffnen entweichen und setzt den Luftballon wieder auf. Der Luftballon füllt sich mit einigen 100 ml Acetylen. Man zieht ihn vom Kolben ab und schließt ihn über einen 1-Loch-Stopfen an ein Gaseinleitungsrohr mit geschlossenem Hahn an. Das Gaseinleitungsrohr senkt man in einen mit Chlor gefüllten Standzylinder und dreht den Hahn langsam auf. Nachdem die Luft aus dem Rohr verdrängt wurde, entzündet sich das austretende Acetylen mit einer gelben, stark rußenden Flamme. Durch Schließen der Gaszufuhr erlischt diese und durch Öffnen lässt sie sich so lange wieder zur Entzündung bringen, wie noch Chlor im Zylinder vorhanden ist.
Der Versuch ist abgewandelt auch in einem Becherglas durchführbar und dadurch einfacher (hier beschrieben). Aber bei diesem Aufbau ist nicht so gut zu erkennen, dass wirklich zwei Gase miteinander reagieren.
Selbstentzündung von Orangenöl:
Der klassische Versuch der Selbstentzündung eines mit Terpentinöl getränkten Lappens in Chlor funktioniert nach eigenen Erkenntnissen auch mit dem heutzutage leichter verfügbaren Orangenöl aus der Drogerie. Man tropft dazu 0,5 ml Orangenöl auf ein 5 x 10 cm großes Stück Küchenpapier aus Zellstoff (3-lagig) und presst es zwischen Plastikfolie aus. So wird das Papier einheitlich, aber nur leicht befeuchtet, was für das Gelingen des Versuchs wichtig ist. Mit einer langen Pinzette wird das Papier in eine Chloratmosphäre gehalten. Es färbt sich augenblicklich schwarz, wobei dichter Salzsäurenebel entsteht. Nach wenigen Sekunden entsteht eine Stichflamme mit starker Rußentwicklung. Die Flamme erlischt danach schnell wieder, das Papier entzündet sich nicht.
Selbstentzündung von unechtem Blattgold:
Ganz ähnlich wie Eisendraht in Sauerstoff lässt sich auch Messingdraht in Chlor verbrennen. Anders als beim Eisen gelingt der Versuch aber auch ohne eine äußere Zündquelle, wenn man hauchdünnes Messing (Schlagmetall) zur Hilfe nimmt, wie Rudolph Böttger 1838 gezeigt hat. Drei je 80 cm lange Messingdrähte (Durchmesser 0,3 mm) werden mit Hilfe eines Akkubohrers zu einem dickeren und stabileren Draht verzwirbelt. Diesen wickelt man dann um eine Metallstange von 0,5 bis 1 cm Durchmesser, um eine Spirale zu formen. Das untere Ende der Spirale wird mit einem 5 x 5 cm großen Stück unechtem Blattgold (Farbe "2,5 - mittelgold" der Firma Gerstendörfer) locker umwickelt. Das andere Ende bohrt man durch ein Stück Pappe und befestigt daran das Drahtende mit Klebeband. In einen Standzylinder wird etwas Kies gefüllt und dann Chlor eingeleitet. Der Kies ist wichtig, um den Zylinderboden zu schützen. Wird die Messingspirale in das Chlor gehängt, glüht das Schlagmetall auf und es bildet sich ein Nebel aus Zink- und Kupferchlorid. Sofort danach beginnt auch der Draht unter Funkensprühen und starker Nebelbildung zu verglühen, wobei die flüssige Chloridmischung nach unten tropft. Die Funken sind nicht sehr hell und nur in Dunkelheit gut zu erkennen. Nach ein bis zwei Minuten ist der Messingdraht bis fast zum Pappdeckel abgebrannt.
Entsorgung:
Die Isocyanursäure-Suspension von der Chlor-Herstellung wird mit ein wenig Natronlauge versetzt, um überschüssiges Chlor zu binden, und dann zu den sauren Abfällen gegeben. Die Calciumhydroxid-Suspension von der Herstellung des Acetylens kommt zu den Laugenabfällen. Das Küchenpapier vom Orangenöl-Versuch kommt in den Hausmüll. Die Kupferchlorid-Zinkchlorid-Mischung vom Messing-Versuch wird in wenig Wasser gelöst und zum Schwermetallabfall gegeben.
Erklärung:
Trichlorisocyanursäure reagiert mit Salzsäure unter Bildung von Chlor:
(OCN-Cl)3 + 3 HCl → 3 Cl2 ↑ + (OCN-H)3
Calciumcarbid und Wasser ergeben Ethin (Acetylen) und Calciumhydroxid:
CaC2 + 2 H2O → C2H2 ↑ + Ca(OH)2
Die Dreifachbindung des Acetylens ist elektronenreich. Chlor ist dagegen wegen seiner sieben Valenzelektronen bestrebt, Elektronen aufzunehmen. Beim Vermischen der beiden Gase kann zunächst eine elektrophile Addition stattfinden, wobei 1,2-Dichlorethen und 1,1,2,2,-Tetrachlorethan entstehen. Dabei wird wahrscheinlich so viel Wärme frei, dass das Chlor dem nachströmenden Acetylen den Wasserstoff entreißt. Es entstehen Chlorwasserstoff und Ruß, der als dicke, schwarze Flocken in die Luft gewirbelt wird:
C2H2 + Cl2 → 2 C + 2 HCl
Möglicherweise wird die Entzündung aber auch durch Begleitgase des aus Karbid dargestellten Acetylens hervorgerufen. Denn längere Zeit aufbewahrtes Acetylen soll sich in Chlor nicht mehr von selbst entzünden.
Wenn das Chlor aufgebraucht ist, brennt die Acetylenflamme zwar entsprechend der Reaktionen
2 C2H2 + 5 O2 → 4 CO2 + 2 H2O
und
2 C2H2 + O2 → 4 C + 2 H2O
in Luft noch weiter. Nach Unterbrechung des Gasstroms und erneutem Aufdrehen das Gashahns entzündet sich das Acetylen dann aber nicht mehr von selbst.
Auch Orangenöl besteht zum Großteil aus einem Stoff, der Mehrfachbindungen enthält. Es handelt sich um Limonen (C10H16), ein Monoterpen mit zwei Doppelbindungen pro Molekül. Es ist anzunehmen, dass es wie Acetylen zunächst in einer elektrophilen Additionsreaktion reagiert, wobei eine bzw. beide Doppelbindungen angegriffen werden:
C10H16 + Cl2 → C10H16Cl2
C10H16Cl2 + Cl2 → C10H16Cl4
Für Terpentin, hauptsächlich bestehend aus dem Monoterpen Pinen (ebenfalls C10H16), sind diese Reaktionen in der Kälte bestätigt. Durch Hitze spaltet das Produkt der ersten Reaktion Chlorwasserstoff ab:
C10H16Cl2 → C10H14 + 2 HCl
Der gleiche Ablauf ist auch bei Limonen aus dem Orangenöl zu erwarten, wobei der Chlorwasserstoff mit Wasserdampf aus der Luft dicke Salzsäurenebel bildet (Beobachtung zu Beginn der Reaktion).
Im weiteren Verlauf entreißt das Chlor dem restlichen Limonen den Wasserstoff und es entstehen Ruß und weiterer Chlorwasserstoff:
C10H16 + 8 Cl2 → 10 C + 16 HCl
Cellulose, die keine Mehrfachbindungen enthält, reagiert hingegen nicht mit dem Chlor. Selbst das kurzzeitig aufflammende Limonen entzündet das Küchenpapier im Chlor nicht.
Kompaktes Messing entzündet sich in Chlor ebenfalls nicht von selbst. Zu feinem Schlagmetall ausgehauen ist das Messing nur noch ca. 600 Nanometer dick (eine Folie 14 x 14 cm wiegt 0,10 g). Das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen ist dadurch groß genug, dass Messing von Chlor unter Erglühen oxidiert wird. Denn die entstehende Wärme kann nicht schnell genug, z.B. an kompaktes Metall, abgeführt werden. Das verwendete unechte Blattgold der Farbe "2,5 (mittelgold)" mit der Zusammensetzung 85 % Kupfer + 15 % Zink reagiert so:
CuZn + 2 Cl2 → CuCl2 + ZnCl2
Die dabei freigesetzte Wärme lässt dann auch das drahtförmige Messing mit dem Chlor unter Funkensprühen reagieren.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Chlor aufgrund seiner sieben Valenzelektronen stark oxidieren wirkt. Zum Erreichen der stabilen Edelgaskonfiguration wird nur ein weiteres Elektron benötigt. Chlor hat deshalb ein großes Bestreben, anderen Molekülen Elektronen zu entreißen. Elektronenreiche Doppel- und Dreifachbindungen sowie leicht oxidierbare Metalle werden deshalb von Chlor angegriffen. Dabei kann so viel Wärme entstehen, dass sich ein Stoff entzündet.
Bilder:
Die Ausgangsstoffe für die Chlorherstellung sind im Baumarkt zu bekommen.
Gasentwickler für Chlor
Vorbereitung für die Selbstentzündung von Ethin: Wasser, ein Stück Calciumcarbid und ein Luftballon
Den Luftballon stülpt man über die Öffnung des Erlenmeyerkolbens, lässt aber einen Spalt offen. Auf den Spalt legt man das Karbid. Die Ballonöffnung kurz zur Seite ziehen, damit das Karbidstück in den Kolben fällt und dann den Ballon ganz über die Öffnung stülpen - so geht kaum Ethin verloren.
Nach kurzer Zeit ist der Ballon gefüllt.
Aus dem Ballon lässt man das Ethin in einen mit Chlor gefüllten Zylinder strömen. Es entzündet sich sofort.
Auch Flüssigkeiten können durch Chlor entzündet werden. Etwas Orangenöl wird auf ein Stück Küchenpapier getropft.
Das Papier wird gleichmäßig "befeuchtet", indem man es in einer Plastiktüte zusammendrückt.
Das mit Orangenöl befeuchtete Papier entzündet sich im Chlor.
Um Messingdraht (rechts) zur Selbstentzündung zu bringen, benötigt man Schlagmetall (links).
Drei Stränge des goldfarbenen Drahtes werden mit einem Akkubohrer verzwirbelt, um einen dickeren Draht zu erhalten.
Nachdem der verzwirbelte Draht um eine Metallstange gewickelt und somit eine Spirale geformt wurde, umwickelt man das untere Ende bauschig mit einem Stück Schlagmetall.
Hängt man den präparierten Draht in eine Chlorgas-Atmosphäre, so glüht das unechte Blattgold auf und entzündet dadurch den Messingdraht. Abweichend von gleichartigen Versuchen wurde der Zylinderboden in diesem Video nicht mit Kies bedeckt, was einen Sprung zur Folge hatte (im Video nicht zu erkennen).
Literatur:
R. Böttger: Vermischte Notizen physikalisch-chemischen Inhalts, Ann. Phys. Leipzig, 43, 655 (1838)
K. Heumann: Anleitung zum Experimentieren: bei Vorlesungen über anorganische Chemie : zum Gebrauch an Universitäten und technischen Hochschulen : sowie beim Unterricht an höheren Lehranstalten, Vieweg (1876)
A. Ganswindt: Zur Benzinersatz-Frage, Zeitschrift für angewandte Chemie, 23, 537 (1899)
H.E. Roscoe, C. Schorlemmer: Ausführliches Lehrbuch der Chemie . 4. Bd. . 2. Theil . Die Kohlenwasserstoffe und ihre Derivate : oder Organische Chemie, Vieweg (1886-1889)
K. Bournot: Fortschritte auf den Gebieten der ätherischen Öle und der Terpenchemie in den Jahren 1924 und 1925, Zeitschrift für angewandte Chemie, 40, 477 (1927)
www.sciencemadness.org/talk/viewthread.php?tid=9713
www.flinnsci.ca/api/library/Download/fd ... 4782a05ce0
www.eytzinger.de/produkte-vergolder-mal ... lagkupfer/
www.youtube.com/watch?v=MDp5vC15V_c&ab_ ... fChemistry