Anthracen-9-carbaldehyd ist ein Derivat des Anthracens, welches sich über eine Vilsmeier-Haack-Reaktion aus diesem synthetisieren lässt. Anwendung findet es in der synthetischen Chemie als Ausgangsstoff für diverse Fluoreszenzfarbstoffe, wie zum Beispiel trans-9-(2-Phenylethenyl)-anthracen.
In der Literatur verwendet man als Lösungsmittel in dieser Synthese ortho-Dichlorbenzol, welches den Zweck hat, unreagiertes Anthracen in Lösung zu halten, sodass ein saubereres Produkt in höheren Ausbeuten (63 %) erzielt wird. Versuche, das ortho-Dichlorbenzol durch einen Überschuss an N,N-Dimethylformamid zu ersetzen, seien insofern gescheitert, dass ein verunreinigtes Produkt mit erschwerter Aufarbeitung in geringen Ausbeuten erhalten wurde.
Ob der Einsatz von Chlorbenzol als Ersatz anstelle eines Überschusses von N,N-Dimethylformamid bessere Ergebnisse liefert, ist offen, da die Literatur zu der Ausbeute und der genauen Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung bei letzterer Variante keine Angaben macht; dennoch sei hier die Synthese und der Erfahrungsbericht von Anthracen-9-carbaldehyd aus Anthracen mit Chlorbenzol als Lösungsmittel gezeigt.
Geräte:
Rundkolben, Dimrothkühler, Trockenrohr mit Calciumchlorid, Magnetheizrührer mit Ölbad, diverse Bechergläser, Eisbad, Möglichkeit zur Vakuumfiltration.
Chemikalien:
Anthracen
Chlorbenzol
N,N-Dimethylformamid
Phosphoroxychlorid
Essigsäure wasserfrei
Methanol
Natriumacetat Trihydrat
Anthracen-9-carbaldehyd
Hinweis: Phosphoroxychlorid verursacht schwere Verätzungen und ist zudem sehr giftig, beim Einatmen besteht akute Lebensgefahr! N,N-Dimethylformamid ist reproduktionstoxisch. Bei der Synthese entsteht Chlorwasserstoff! Das Arbeiten im Abzug ist unerlässlich.
Durchführung:
In einem 250 mL-Rundkolben wird 10,0 g Anthracen (56 mmol) vorgelegt und mit 20 mL Chlorbenzol versetzt. Zu der Suspension wird unter Rühren 10 mL N,N-Dimethylformamid (9,5 g, 130 mmol) hinzugefügt und anschließend langsam 10 mL Phosphoroxychlorid (16,8 g, 110 mmol) hinzugetropft, wobei sich die Lösung gelblich färbt. Der Rundkolben wird mit einem Dimrothkühler mit aufgesetztem Trockenrohr versehen, in ein Ölbad gehängt und dieses auf 100 °C temperiert. Während des Aufheizens geht der Feststoff in Lösung, welche sich über orange bis hin zu dunkelrot färbt. Erreicht das Ölbad die Zieltemperatur, wird noch für weitere 90 Minuten bei dieser Temperatur gehalten (Chlorwasserstoff!) und anschließend auf Raumtemperatur abgekühlt, wobei sich der Reaktionsansatz verfestigt. Der Rundkolben wird im Eisbad abgekühlt und der verfestigte Rückstand mit einer Lösung aus 80 g Natriumacetat1 Trihydrat in etwa 150 mL VE-Wasser herausgelöst. Die braune Lösung wird mit VE-Wasser auf ein Gesamtvolumen von etwa 800 mL aufgefüllt und über Nacht ruhen gelassen, wobei sich ein dunkelgelber Feststoff zusammen mit einer schwarzen, leicht öligen, Substanz2 abscheidet. Der Feststoff wird über eine Glasfritte abgesaugt und gründlich mit VE-Wasser nachgespült. Das Rohprodukt wird aus wasserfreier Essigsäure (ca. 25 mL) rekristallisiert, erneut abgesaugt, erst mit Essigsäure und dann mit wenig Methanol3 gewaschen. Das Produkt wird an der Luft bis zur Massenkonstanz getrocknet.
Ausbeute: 4,08 g (35 % d. Th.) feine fluffige gelbe Kristallnadeln.
1Richtwert. Wichtig ist, dass die Reaktionslösung am Ende mindestens neutral reagiert.
2Diese ölige Substanz ist vermutlich die besagte Verunreinigung, welche beim Verwenden von ortho-Dichlorbenzol nicht auftreten soll. Konträr zu meiner Erwartung stellte dieses Öl kein Problem bei der Aufreinigung da; es ging beim Absaugen durch die Fritte und sammelte sich im Filtrat. Die Einbuße bei der Ausbeute ist jedoch vermutlich darauf zurückzuführen.
3Das Produkt ist in Methanol einigermaßen löslich. Das Waschen mit Methanol ist jedoch erforderlich, um die Essigsäure zu entfernen. Zudem hellt das Podukt dadurch merklich auf. Auch hier wird Ausbeute im Tausch gegen Reinheit eingebüßt.
Entsorgung:
Flüssige Abfälle werden dem organischen Abfall zugeführt, Feststoffe kommen in den organischen Feststoffabfall. Verunreinigte Glasgeräte und die verwendete Fritte können mit Aceton gereinigt werden.
Erklärung:
Es findet eine Vilsmeier-Haack-Reaktion statt, mit der durch zusammenwirken von N,N-Dimethylformamid (DMF) und Phosphoroxychlorid (POCl3) an hinreichend nucleophilen Aromaten eine Formylgruppe (R-CHO) eingeführt werden kann:
Bilder:
Vorgelegtes Anthracen mit DMF in Chlorbenzol.
Nach Zugabe von POCl3.
Nach der Reaktionszeit.
Verfestigter Reaktionsansatz.
Ausgefallenes Rohprodukt und die (schwer zu erkennende) ölige Phase nach dem Ruhen über Nacht.
Das aus Essigsäure rekristallisierte und mit Methanol gewaschene Anthracen-9-carbaldehyd.
Literatur:
[1] Archer, Campaigne: The Use of Dimethylformamide as a Formylation Reagent, J. Am. Chem. Soc. 1953, 75, 4, 989–991.
[2] Brückner: Reaktionsmechanismen. Organische Reaktionen, Stereochemie, Moderne Synthesemethoden, Springer Verlag, 2004, 3. Auflage, 235.
[3] Fieser et al.: Org. Synth. 1940, 20, 11.