4-Amino-3-hydrazino-5-mercapto-1,2,4-triazol, [1750-12-5], AHMT
4-Amino-3-hydrazino-5-mercapto-1,2,4-triazol ist eine heterocyclische Verbindung und wurde erstmals 1908 von Stollé und Bowles bei der Umsetzung von Thiocarbohydrazid mit Hydrazin erhalten und beschrieben[1]. Sie besitzt basische (Amino-/Hydrazino-Gruppe) und saure (-SH Gruppe) Eigenschaften und ist daher in verdünnten Säuren und Laugen gut löslich, sonst in Wasser oder den üblichen Lösemitteln schwer löslich.
Eine erste praktische Bedeutung erlangte die Substanz erst 1969 als Dickinson und Jacobsen zeigten[2], dass alle Verbindungen, die ein Thioureido-Strukturelement enthalten (-N-CS-N-) bei Umsetzung mit einem Überschuss Hydrazin diese Verbindung in mehr oder weniger guter Ausbeute ergeben und somit durch dessen Bildung identifiziert werden können. Sie formulierten auch den Mechanismus der Reaktion. Ein Jahr später zeigten die gleichen Autoren[3], dass dieses Molekül hoch spezifisch mit Aldehyden zu einem tief purpur-violett gefärbten Tetrazin-Derivat weiter reagieren kann, und dass darauf ein empfindlicher und selektiver Test auf Aldehyde aufgebaut werden kann. 1974 erweiterten sie die Anwendung auf eine quantitative Bestimmungsmethode im Bereich 0,5 – 5 ppm Formaldehyd[4] und veröffentlichten auch eine optimierte Darstellungsmethode[5].
Wann der passende Marken-Name „Purpald“ für dieses Reagenz aufgekommen ist, konnte ich nicht eruieren, aber unter diesem Handelsnamen wird es bis heute von Sigma/Merck für den Nachweis und Bestimmung von Formaldehyd genutzt und kommerziell in Kits verkauft.
Geräte:
Kolben, Rückflusskühler, Wasserbad oder temperiertes Ölbad, Magnetrührer, Bechergläser, Filternutsche
Chemikalien:
Thioharnstoff



Hydrazinhydrat 80%





Salzsäure


Natronlauge
4-Amino-3-hydrazino-5-mercapto-1,2,4-triazol


Hinweis:
Achtung: bei der Reaktion wird Ammoniak und giftiger Schwefelwasserstoff freigesetzt, es ist unbedingt in einem Abzug oder im Freien zu arbeiten!
Durchführung:
In einem 250 ml Rundkolben werden 19 g (0,25 mol) Thioharnstoff und 92 ml 80% Hydrazinhydrat (1,5 mol) vorgelegt und unter Rückflusskühlung 3 Stunden im auf 100 °C temperierten Ölbad gerührt. Beim Erwärmen löst sich der Thioharnstoff bald auf. Es entsteht eine klare Lösung, die sich mit der Zeit immer gelblicher färbt. Es entweicht Schweflwasserstoff und ein weiß-gelblicher Niederschlag beginnt sich abzuscheiden, der immer mehr wird.
Nach Ende der Reaktion (keine Gasbildung mehr feststellbar) wird auskühlen gelassen. Dann werden durch den Kühler 75 ml Wasser zugegeben, der Ansatz in ein Becherglas überführt und der Kolben mit wenig Wasser nachgespült. Nun wird vorsichtig mit konz. Salzsäure bis pH ~6 neutralisiert, wobei sich mehr kristalliner Niederschlag bildet und die Farbe rein weiß wird. Dabei kommt es zu weiterem Ausgasen von Schwefelwasserstoff! Nach ein paar Stunden stehen lassen wird abgenutscht und gut nachgewaschen, Roh-Ausbeute ca. 15 g.
Das Rohprodukt wird in ca. 200 ml 2 M Salzsäure unter leichtem Erwärmen und gutem Rühren gelöst, wobei ein merklicher Teil – hauptsächlich Schwefel der als Verunreinigung entsteht - ungelöst zurückblieb. Es wird filtriert, mit etwas Wasser nachgewaschen und aus dem gelblichen Filtrat durch Neutralisation mit Natronlauge das Produkt wieder ausgefällt, abgenutscht und mit dest. Wasser nachgewaschen. Bei Fällung aus der sauren Lösung fällt es als feines, rein weißes Pulver an, das ein paar Tage an der Luft getrocknet und dann zerkleinert wird.
Ausbeute: 10,1 g (55,3% d.Th; Literatur: 57-65%)
Die Literatur arbeitet mit 100% Hydrazinhydrat, die hier etwas geringere Ausbeute mag an der Verwendung von 80%igem liegen.
Test: in einem Reagenzglas wurde eine Spatelspitze des Reagenzes in ca. 3 ml 1 M NaOH aufgelöst. In einem zweiten Reagenzglas wurde 1 Tropfen Formaldehyd Lösung in ca. 5 ml Wasser verdünnt und davon ein paar Tropfen zur Reagenzlösung gegeben. Das Reagenzglas wurde mit einem Stopfen verschlossen. An der Oberfläche wurden bald erste farbige Schlieren erkennenbar, und nach kurzem kräftigem Schütteln (damit genügend Sauerstoff in die Lösung kommt) bildete sich eine intensive, prächtig purpur-violette Färbung aus.
Entsorgung:
Abfälle kommen zu den halogenfreien organischen Abfällen.
Erklärung:
Thioharnstoff und Hydrazin reagieren in einem ersten Schritt zu Thiocarbohydrazid – diese Reaktion erfolgt bei allen Verbindungen, die ein Thioureido-Strukturelement enthalten analog. Zwei Moleküle Thiocarbohydrazid kondensieren dann im alkalischen Milieu unter Abspaltung von Schwefelwasserstoff und Hydrazin zum Produkt :
Das Produkt kann in zwei tautomeren Formen vorliegen, deshalb ist es sowohl im Sauren (protonierte Amino- oder Hydrazid-Funktionalität) als auch im Alkalischen (deprotoniertes Thiol) recht gut löslich:
Mit Aldehyden erfolgt Kondensation zu einem (farblosen) Tetrahydrotetrazin-Derivat, das durch Sauerstoff leicht zum tiefvioletten Tetrazin-Derivat oxidiert wird (genaugenommen: ein 6-Mercapto-s-Triazolo-[4,3-b]-s-Tetrazin Derivat):
Mit Ketonen erfolgt zwar auch eine Kondensationsreaktion, da am entsprechenden C jedoch das aldehydische H fehlt kann sich hier keine Doppelbindung ausbilden und die Farbreaktion durch Oxidation unterbleibt - dementsprechend spezifisch ist das Reagenz:
Bilder:
Der Ansatz im temperierten Ölbad
Gasbildung während der Reaktion
Reaktion beendet - Abscheidung von reichlich Niederschlag im Ansatz
Rohprodukt nach Neutralisation
Sauer aufgelöst, die unlöslichen Verunreinigungen (vor allem Schwefel) schwimmen auf
Das fertige zerkleinerte Produkt
Test mit Formaldehyd: eine intensiv dunkelviolette Farbreaktion, links die Blindprobe.
Literatur:
[1] R. Stollé, P. E. Bowles, Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1908, 41 (1), 1099–1102. DOI: https://doi.org/10.1002/cber.190804101217
[2] R. G. Dickinson, N. W. Jacobsen, Anal. Chem. 1969, 41 (10), 1324–1327. DOI: https://doi.org/10.1021/ac60279a045
[3] R. G. Dickinson, N. W. Jacobsen, J. Chem. Soc. D. 1970, (24), 1719. DOI: https://doi.org/10.1039/c29700001719
[4] N. W. Jacobsen, R. G. Dickinson, Anal. Chem. 1974, 46 (2), 298–299. DOI: https://doi.org/10.1021/ac60338a039
[5] R. G. Dickinson, N. W. Jacobsen, Organic Preparations and Procedures International. 1974, 6 (3), 156–157. DOI: https://doi.org/10.1080/00304947409355092