Bestimmung kleiner Mengen von Weinsäure / Tartrat in anorganischen Präparaten

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lemmi
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Bestimmung kleiner Mengen von Weinsäure / Tartrat in anorganischen Präparaten

Beitrag von lemmi »

Bestimmung kleiner Mengen von Weinsäure / Tartrat in anorganischen Präparaten

Weinsäure kann präparativ dazu verwendet werden, in Kaliumsalzen das Kalium gegen ein anderes Kation auszutauschen, da das Kaliumhydrogentartrat (Trivialname: Weinstein) relativ schlecht wasserlöslich ist (ca. 4,5 g/l bei 20°C).[1] Zur Reinheitsprüfung des erhaltenen Präparates wäre eine Quantifizierung des darin enthaltenen Rückstands von Tartrat wünschenswert. In der älteren Literatur wird eine permanganatometrische Bestimmung von Weinstein angegeben, auf der die hier beschriebenen Versuche beruhen.[2] Dort wird angegeben, dass 1 Mol Weinsäure zu 2 Mol Kohlendioxid und 2 mol Ameisensäure oxidiert wird:

C4H6O6 + 3O ---> 2 HCOOH + 2 CO2 + H2O

Wie weiter unten (unter Erklärungen) ausgeführt, würde 1 Mol Weinsäure hier 6 Val entsprechen. Meine Versuche haben ein anderes Ergebnis gebracht. Dennoch ist die Anaylse praktikabel und hinreichend genau. Mit dieser Methode können Rückstände von Tartrat bis in den Bereich von 0,1 % bestimmt werden. Natürlich funktioniert das nur, wenn das Präparat selbst gegenüber Permanganat inert ist.


Material/Geräte:

Magnetheizrührer, Wasserbad, Erlenmeyerkolben 50 ml, Feinbürette 10 ml, Analysenwaage, Messzlinder 25 ml


Chemikalien:

Weinstein
Kaliumpermanganatlösung 0,1 N Warnhinweis: attn Warnhinweis: c Warnhinweis: n Warnhinweis: xn
Schwefelsäure 5 N Warnhinweis: c
Analysensubstanz:
Natriumperchlorat Warnhinweis: o Warnhinweis: attn


Versuchsdurchführung:

Die Titrationen wurden in der Wärme ausgeführt, dazu wurde die Heizplatte des Magnetrührers auf kleiner Stufe erwärmt und die Reaktionsmischungen vor der Titration kurz in ein siedendes Wasserbad gestellt.

Zunächst wurde der Titer der 0,1 N Kaliumpermanganatlösung bestimmt, indem 10,0 ml 0,1 N Oxalsäure (durch Einwaage der Urtitersubstanz hergestellt) mit 10 ml Schwefelsäure 5 N gemischt, im siedenden Wasserbad kurz erhitzt und dann heiß bis zur mindestens 1 Minute bleibenden Rosafärbung titriert wurden. Die Entfärbung ging ziemlich schnell und der Umschlag war scharf zu erkennen. Verbrauch = 10,15 ml, der Faktor der Lösung betrug damit 0,984

Als nächstes wurden 20,5 mg Weinstein ausgewogen und in 10 ml Wasser + 10 ml Schwefelsäure 5 N unter Erhitzen gelöst und heiß titriert. Die Entfärbung ging anfangs langsam, dann mäßig schnell und zuletzt sehr langsam vor sich. Verbrauch 10,9 ml (korrigiert 1,07 ml). Das entspricht einer Äquivalentmasse des Weinsteins von 18,82 (siehe Erklärungen) oder 1 ml Maßlösung entsprechen 0,01 mmol (Weinsäure 1,501 mg, Weinstein 1,882 mg, Natriumhydrogentartrat 1,721 mg) Analyt.

Als Analysensubstanz lag durch Umsetzung von Kaliumperchlorat mit Natriumhydrogentartrat erhaltenes Natriumperchlorat vor (Darstellung). Zunächst wurde eine Probe des Rohprduktes untersucht: 761,2 mg wurden in 10 ml Wasser und 10 ml Schwefelsäure 5 N gelöst, erhitzt und heiß titriert. Verbrauch = 15,2 ml, korrigiert 14,96 ml. Das entspricht 22,36 mg Weinsäure oder 25,64 mg Natriumhydrogentartrat.

Bei der Titration des aus Ethanol kristallisierten Präparates von Natriumperchlorat wurden 601,1 mg eingesetzt. Die Entfärbung der Maßlösung ging äußert langsam vor sich und die Titration wurde beendet, als eine Rosafärbung über 3 Minuten konstant blieb. Verbrauch 0,6 ml, korrigiert 0,59 ml. Es waren somit 0,87 mg Weinsäure, resp. 1,02 mg Natriumhydrogentartrat vorhanden gewesen. Das Präparat enthält damit 0,17 % Verunreinigungen, berechnet als Natriumhydrogentartrat - oder im Umkehrschluss einen Gehalt von rund 99,8 %.


Entsorgung:

Die Perchlorat-haltigen Lösungen werden mit Kaliumchlorid gefällt, das erhaltene Kaliumperchlorat recycelt und die Flüssigkeit mit dem Abwasser entsorgt.


Erklärungen:

Die in der Einleitung genannte Umsetzung würde folgender Reaktion entsprechen:

C4H6O6 + 3H2O ---> 2 HCOOH + 2 CO2 + 6 H+ + 6 e-

Molmasse Weinsäure: 150,1 g/mol
Molmasse Weinstein: 188,2 g/mol
Äquivalentmasse Weinstein: 31,35 g/val

Ein Milliliter 0,1 N KMnO4 wären damit 3,135 mg Weinstein äquivalent und ich hätte einen Verbrauch von 6,58 ml finden müssen. Tatsächlich betrug der Verbrauch jedoch 10,7 ml, also 1,07 mVal. Das ergibt einer Äquivalentmasse des Weinsteins von 19,16 mg. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Analysensubstanz längere Zeit gelagert und nicht scharf getrocknet worden war, entspricht dies 1/10 der Molmasse und damit folgender Reaktionsgleichung:

C4H6O6 + 2 H2O ---> 4 CO2 + 10 H+ + 10 e-

Molmasse Weinstein: 188,2 g/mol
Äquivalentmasse Weinstein: 18,82 g/val
Molmasse Natriumhydrogentartrat: 172,1 g/mol
Äquivalentmasse Natriumhydrogentartrat: 17,21 g/val
Molmasse Weinsäure: 150,1 g/mol
Äquivalentmasse Weinsäure: 15,01 g/val

Unter den oben beschriebenen Bedingungen wird die Weinsäure also vollständig zu Kohlendioxid oxidiert. Die Erkennung des Endpunktes bedarf dabei, vor allem bei kleinen Mengen Analyt, einiger Geduld. Der Versuch, durch Zugabe von etwas Mangan(II)-sulfat zur Analysenlösung die Umsetzung zu beschleunigen (Mn2+-Ionen katalysieren die Reduktion von KMnO4) schlug fehl, indem am Äquivalenzpunkt eine Symproportionierung von Mn2+ und MnO4- zu MnO2 eintrat, und der ausfallende Braunstein die Erkennung des Endpunktes unmöglich machte. Dennoch ist die Titration ausreichend genau. Die Bestimmung der Tartrat-Rückstände im Roh- und Endprodukt der Natriumperchlorat-Darstellung zeigt eine erhebliche Reinigungswirkung durch die Kristallisation aus Ethanol und eine befriedigende Reinheit des Endproduktes.


Bilder:

Titration von Tartrat.jpg
Titration


Literatur:

[1] Frerichs G, Arends G, Zörnig H: Hager´s Handbuch der Pharmazeutsichen Praxis; 2. berichtigter Neudruck 1949, Springer-Verlag Berlin-Göttingen-Heidelberg
[2] Meigen W und Schnerb I: Die Oxydation von Weinsäure mit Kaliumpermanganat und Wasserstoffsuperoxyd; Zeitschr. f. angewandte Chemie (1924): 208; doi: 10.1002/ange.19240371506


Danksagung:

Danke an mgritsch für das Heraussuchen der Literaturstelle [2]!
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mgritsch
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Re: Bestimmung kleiner Mengen von Weinsäure / Tartrat in anorganischen Präparaten

Beitrag von mgritsch »

lemmi hat geschrieben: Sonntag 14. Juli 2024, 11:17 Unter den oben beschriebenen Bedingungen wird die Weinsäure also vollständig zu Kohlendioxid oxidiert. Die Erkennung des Endpunktes bedarf dabei, vor allem bei kleinen Mengen Analyt, einiger Geduld.
:thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:
Super, gleich probiert und sinnvoll eingesetzt!
Die Reaktion entspricht eher dem was ich erwartet hatte, Ameisensäure ist sehr leicht oxidierbar, hätte mich gewundert wenn das übrig bleibt.

Rücktitration könnte hier Sinn machen, oder? Überschuss Permanganat/Säure rein, paar Minuten warm machen, kühlen, mit Oxalsäure oder Fe2+ retour - sollte sowohl schneller als auch (gerade bei kleinen Mengen) zuverlässiger sein für eine vollständige Umsetzung.
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lemmi
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Re: Bestimmung kleiner Mengen von Weinsäure / Tartrat in anorganischen Präparaten

Beitrag von lemmi »

Ja, ich hielt das mit der Oxidation zur Ameisensäure auch von Anfang an für unwahrscheinlich. Komisch, dass man in den 1920ern auf diese Gleichung kam! Ob das an meinen rabiaten Bedingungen (1 M schwefelsaures Medium bei 70-80°C) liegt, dass es so glatt bis zum CO2 durchging?

Ich habe den Verdacht, dass meine Oxalsäurelösung das Problem war, und nicht der nicht getrocknete Weinstein. Die 10.9 ml Verbrauch die ich für 20,5 mg erhalten habe entsprechen nämlich genau einem Äquivalenzgewicht von 188.

Rücktitration habe ich überlegt, war mir aber dann unsicher, weil ich im qad- Reagenzglasversuch die Abscheidung von Braunstein beobachtet hatte. Ich fürchtete, die Reaktion würde da irgendwie nicht die glatt gehen... Wahrscheinlich unbegründet, denn wenn nur partiell reduziert, wird halt die andere Hälfte bei der Rücktitration mitreduziert.

Ich mache sonst nie Permanganatometrie. Ich fand es beeindruckend, dass nur ein Tropfen Maßlösung einen so deutlichen Farbenschlag gibt.
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Re: Bestimmung kleiner Mengen von Weinsäure / Tartrat in anorganischen Präparaten

Beitrag von aliquis »

Ist als Nebenreaktion auch eine Oxidation von Tartrat zu Acetaldehyd denkbar?
Habe neulich mal die Blau-Gold-Reaktion vorgeführt. Nach Zugabe der Kupfersulfatlösung (die initial zu einer heftigen Reaktion zwischen Tartrat und Wasserstoffperoxid führt) lag ein Hauch des Aldehyds in der Luft (was mich umgehend zum Stosslüften veranlasste).
Das hatte ich bei diesem Schauversuch schon mal, als etwas Rest-Ethanol in der Lösung vorhanden war (aus einem zuvor gescheiterten Ausfällungsversuch von Seignettesalz aus der Lösung), auf den ich das geschoben habe. Aber diesmal war ja nicht mal eine Spur des Alkohols enthalten... :?
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lemmi
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Re: Bestimmung kleiner Mengen von Weinsäure / Tartrat in anorganischen Präparaten

Beitrag von lemmi »

Acetaldehyd würde sicher sofort zu Essigsäure weiteroxidiert. Die Analysenergebnisse passen genau auf Die angegebene Gleichung. Quantitativ.

Wer weiß was du da gerochen hast...
NB was meinst du mit Blau-Gold-Reaktion?
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lemmi
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Re: Bestimmung kleiner Mengen von Weinsäure / Tartrat in anorganischen Präparaten

Beitrag von lemmi »

Acetaldehyd würde sicher sofort zu Essigsäure weiteroxidiert. Die Analysenergebnisse passen genau auf Die angegebene Gleichung. Quantitativ.

Wer weiß was du da gerochen hast...
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Re: Bestimmung kleiner Mengen von Weinsäure / Tartrat in anorganischen Präparaten

Beitrag von aliquis »

lemmi hat geschrieben: Montag 15. Juli 2024, 07:56 NB was meinst du mit Blau-Gold-Reaktion?
https://www.chemieunterricht.de/dc2/tip/10_10.htm

Permanganat oxidiert in der Tat gern bis zum Keton oder bis zur Carbonsäure durch.
Bei Peroxid wäre ich mir da nicht so sicher.
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