Im Jahre 1886 berichtete der Chemiker Hans Heinrich Landolt (1831-1910) über eine merkwürdige Beobachtung. Er brachte Lösung von Schwefeldioxid und Iodsäure zusammen und stellte fest, dass die erwartete Ausscheidung von Iod mit einer zeitlichen Verzögerung auftrat.[1] Die Reaktion avancierte bald unter dem Namen Landolt’sche Zeitreaktion zu einem ein häufig gezeigten Demonstrationsexperiment, an dem sich z.B. der Einfluss der Temperatur und der Konzentration der Reaktanden auf die Reaktionsgeschwindigkeit demonstrieren lassen. Aber auch als Schauversuche werden Zeitreaktionen - nach Landolt wurden noch weitere entdeckt - gerne verwendet. Spektakulär sind dabei vor allem die plötzlich auftretenden Farbumschläge
Material/Geräte:
Bechergläser, Erlenmeyerkolben und Messzylinder verschiedener Größe, 10-ml-Messpipette, Waage, Glasstab
Chemikalien:
Kaliumiodat


Natriumdisulfit (Na2S2O5)


Stärke
Quecksilber(II)-chlorid




Silbernitratlösung 0,1 N


Natriumthiosulfat-5-Hydrat
Arsen(III)-oxid




Natriumcarbonat

Essigsäure 100 %


Benzaldehyd

Zimtaldehyd

Aceton


Kaliumhydroxid


Arsen(III)-sulfid



Quecksilber(II)-sulfid

Dicinnamalaceton

Dibenzalaceton
Sicherheitshinweise:
Die Versuche mit Arsen(III)-oxid und Quecksilber(II)-chlorid bedürfen besonderer Vorsicht. Handschuhe sollen getragen werden. (Eine Variante die mit harmlosen, überall erhältlichen Ausgangsstoffen arbeitet und auch für häusliche Experimente geeignet ist, findet sich hier!)
Versuchsdurchführung:
Zu allen Versuchen wird eine 1 %ige Stärkelösung benötigt, die man sich folgendermaßen herstellt: 500 ml destilliertes Wasser werden in einem Kolben zum Sieden erhitzt. Man verreibt 5 g Stärke in einer kleinen Reibschale mit 10 ml Wasser und gibt die homogene Anreibung in das siedende Wasser, worin sie sich sofort klar löst. Die Lösung wird noch 2-3- Minuten gekocht und dann abkühlen gelassen.
Die folgenden Versuche lassen sich problemlos um einen Faktor 10 hochskalieren. Wenn man während der Demonstration konstant rührt, erfolgen die Umschläge praktisch instantan in der gesamten Flüssigkeit. Wird nicht gerührt, kann man oft beobachten, wie sich die Reaktion von einem Punkt ausgehend über 1-2 Sekunden über die Reaktionsmischung ausbreitet - was seinen besonderen Reiz haben kann.
1. Klassische Landolt’sche Zeitreaktion:[4]
Es werden folgende Lösungen angesetzt:
Lösung A: 10,7 g Kaliumiodat werden in 500 ml Wasser gelöst
Lösung B: 10,4 g Natriumdisulfit werden in 500 ml Wasser gelöst
Versuchsansatz: Man stellt mehrere 100-ml-Kolben auf und beschickt sie mit fallenden Mengen der Lösung B, die jeweils mit Wasser auf 17 ml aufgefüllt wird (siehe Tabelle). In kleinen Bechergläsern verdünnt man jeweils 15 ml Lösung A mit 15 ml Wasser und fügt 7,5 ml Stärkelösung zu. Zur Vorführung des Versuchs gießt man die Flüssigkeit aus den Bechergläsern mit Schwung in die dahinterstehenden Erlenmeyerkolben (mit Hilfe eines Assistenten kann das mit vier Ansätzen gelichzeitig erfolgen) und schwenkt die Kolben kurz kräftig um. Alternativ kann man sie – wenn vorhanden – auch auf Magnetrührern platzieren. Nacheinander färbt sich die wasserklare Flüssigkeit in den Kolben blauschwarz. Wenn nicht gerührt wird, kann man bei den höheren Verdünnungen beobachten, wie sich die schwarze Färbung von einem Punkt ausgehend binnen 2-3 Sekunden über den gesamten Kolbeninhalt ausbreitet, während der Farbumschlag in den konzentrierteren Ansätzen praktisch instantan erfolgt. Die Zeit hängt von der Menge der eingesetzten Lösung B ab (die Angaben in der Tabelle sind Richtwerte)
Nach dem Farbumschlag macht sich an der Innenwand der Kolben ein violetter Anflug von ausgegastem Iod bemerkbar.
2. Landolt’sche Zeitreaktion mit Zusatz von Schwermetallsalzen:
2.1 mit Quecksilber(II)-chlorid:[4]
Lösung A: 5,35 g Kaliumiodat werden in 400 ml Wasser gelöst und 100 ml Stärkelösung zugegeben
Lösung B: 530 mg Quecksilber(II)-chlorid werden in 400 ml Wasser gelöst
Lösung C: 5,2 g Natriumdisulfit werden in 500 ml Wasser gelöst
Versuchsansatz: man stellt zwei 250 ml-Bechergläser und davor zwei 100 ml Erlenmeyerkolben auf. In das erste Becherglas gibt man je 60 ml der Lösungen A und B, in das zweite je 50 ml. In den ersten Erlenmeyerkolben gibt man 60 ml, in den zweiten 100 ml der Lösung C.
Zur Vorführung des Versuchs wird der Inhalt der Kolben mit Schwung in das dahinterstehende Becherglas gegossen. Nach 5-7 Sekunden färbt sich die Flüssigkeit in beiden Bechergläsern schlagartig orange. Nach etwa 12-14 Sekunden wird sie im ersten Becherglas ebenso schlagartig blauschwarz, während sie sich im zweiten Becherglas entfärbt und wieder wasserklar wird.
2.2 mit Silbernitrat:mod. nach [5]
Lösung A: wie oben (2.1.)
Lösung B: Silbernitratlösung 0,1 N
Lösung C: wie oben (2.1.)
Versuchsansatz: im 250 ml-Becherglas legt man 50 ml Wasser und 10 ml Silbernitratlösung vor und stellt davor zwei 100-ml-Erlenmeyerkolben auf, die mit 50 ml der Lösungen A bzw. C beschickt sind.
Zur Vorführung des Versuchs gießt man gleichzeitig beide Lösungen aus den Kolben in das Becherglas. Die Mischung färbt sich sofort milchig weiß. Nach 7-8 Sekunden macht sich eine zunehmende Gelbfärbung bemerkbar und nach 14-15 Sekunden tritt eine blauschwarze Färbung ein, die sich – sofern der Ansatz nicht konstant gerührt wird – über ca 2 Sekunden in Schlieren in der Flüssigkeit ausbreitet.
3. “Gold-Uhr“ - Fällung von Arsen(III)-sulfid als Zeitreaktion:[4]
Lösung A: 500 mg Arsen(III)-oxid werden in einem kleinen Kolben mit 270 mg Natriumcarbonat (wasserfrei) und 10-15 ml Wasser erwärmt, bis eine klare Lösung entstanden ist. Sollte nach dem Abkühlen eine Trübung auftreten, so ist noch etwas Natriumcarbonat zuzusetzen und erneut zu erwärmen. Nach dem Abkühlen wird die Lösung in einem Messzylinder mit Wasser auf 67 ml aufgefüllt.
Lösung B: Essigsäure
Lösung C: man löst 13,5 g Natriumthiosulfat-5-Hydrat in 67,5 ml Wasser (gibt 75 ml Lösung)
Versuchsansatz: in ein 100 ml-Becherglas gibt man 33,5 ml der Lösung A und 4 ml Essigsäure. Daneben stellt man ein 50 ml-Becherglas, das mit 37,5 ml der Lösung B beschickt ist.
Zur Vorführung des Versuchs wird der Inhalt des kleinen Becherglases in das größere gegossen und ggf. kurz umgerührt. Nach etwa 25 Sekunden tritt eine goldgelbe Trübung ein, die sich rasch verstärkt.
4. Organische “Gold-Uhr“ – Bildung von Dicinnamylaceton als Zeitreaktion:[4]
In einem weiten Reagenzglas löst man 0,6 ml Zimtaldehyd in 3,7 ml Ethanol (unvergällt!) und gibt unter Schütteln 2,3 ml einer Lösung von 2,5 g Kaliumhydroxid in 23 ml Wasser zu. In die gelbliche Mischung gibt man dann 0,3 ml Aceton, mischt den Inhalt des RG durch Schwenken und startet die Uhr. Nach 25-30 Sekunden bildet sich in der goldgelben Flüssigkeit plötzlich ein hellgelber Niederschlag (vor dunklem Hintergrund betrachten!)
Die Mengen können problemlos um den Faktor 10 oder 100 erhöht werden. Außerdem kann man Benzaldehyd anstelle von Zimtaldehyd verwenden. Das Ergebnis ist aber nicht so spektakulär wie mit Zimtaldehyd: die Reaktionsmischung färbt sich immer dunkler Karminrot und nach 75-90 Sekunden fällt darin ein beigefarbener Niederschlag aus.
Entsorgung:
Die schwarzblauen Flüssigkeiten der klassischen Landolt-Reaktion werden bis zur Entfärbung mit Natriumthiosulfatlösung versetzt und dann ins Abwasser gegeben.
Die quecksilberhaltigen Ansätze werden vereinigt (wobei sie sich entfärben), mit etwas Natronlauge alkalisch gemacht und mit Natriumsulfidlösung versetzt. Nach mehreren Tagen wird von dem ausgefallenen Quecksilbersulfid abdekantiert und dieses zum Sondermüll gegeben, während der Überstand mit dem Abwasser entsorgt wird.
Der silberhaltige Ansatz wird durch Zugabe von noch etwas Natriumdisulfit entfärbt und das Silberjodid sich absetzen gelassen. Der Überstand wird dekantiert und ins Abwasser gegeben, das Silberiodid ausgewaschen, getrocknet und zum Recycling von Silber aufbewahrt.
Der arsenhaltige Ansatz wird 24 Stunden stehen gelassen. Danach hat sich das Arsen quantitativ als Arsen(III)-sulfid in schön orangegelben Flocken abgeschieden. Es wird abgesaugt, ausgewaschen und aufbewahrt oder zum Sondermüll gegeben. Das Filtrat kann mit dem Abwasser entsorgt werden.
Die organischen Versuchsansätze lässt man 1 Stunde stehen, wonach die Reaktionen fast quantitativ abgelaufen sind. Die Niederschläge werden abfiltriert und mit dem organischen Sondermüll entsorgt. Das Filtrat kann ins Abwasser gegeben werden.
Erklärungen:
Schon Landolt stellte in seiner 1886 erschienenen Arbeit mehrere Versuchsreihen vor, mit denen er den Mechanismus der von ihm entdeckten Zeitreaktion zu begründen versuchte. Er beschrieb drei Reaktionen, die in der Lösung nebeneinander ablaufen sollen (Hydrogensulfit entsteht beim Lösen von Disulfit in Wasser):
Reaktion 1: IO3- + 3 HSO3 - ---> I- + 3 HSO4-
Reaktion 2: 5 I- + IO3- + 6 H+ ---> 3 I2 + 3 H2O
Reaktion 3: I2 + HSO3- + H2O ---> HSO4 - + 2 HI
In einfachen, aber ausgeklügelten Experimenten mit stark verdünnten Lösungen der einzelnen Reaktanden wies Landolt nach, dass die Reaktionen 2 und 3 praktisch instantan verlaufen, während Reaktion 1 der langsamste Schritt ist. Er leitete daraus folgende Erklärung für den Zeitverzug der Iodbildung ab: das in 1 gebildete Iodid kann zwar mit im Überschuss vorhandenem Iodat nach 2 zu Iod reagieren. Solange noch Sulfit vorhanden ist wird dieses aber sofort nach 3 wieder zu Iodid reduziert und die Bildung von Iod kann daher erst einsetzen, wenn alles Sulfit verbraucht ist.[1] Diese Erklärung findet sich bis heute unverändert in allen Beschreibungen des Versuchs. Dennoch ist sie im Lichte der späteren elektrochemischen Erkenntnisse heute überholt und mutet etwas verstaubt an (so etwa wie die Rede vom "naszierenden Wasserstoff").
I- + 3 H2O <---> IO3 - + 6 H+ + 5 e- - E0 = + 1,08 V
2 I- <---> I2 + 2 e- - E0 = + 0,54 V
HSO3 - + H2O <---> HSO4 - + 2H+ + 2 e- - E0 = + 0,16 V
Das Hydrogensulfit ist einfach das stärkere Reduktionsmittel und wird zuerst umgesetzt, ehe die Reaktion zwischen Iodid und Iodat stattfinden kann. Würden außerdem die Reaktionen 2 und 3 tatsächlich nebeneinander ablaufen, wäre die Umsetzung sehr schnell beendet: es träte quasi eine Iodid-katalysierte Oxidation des Sulfits durch das Iodat ein und Reaktion 1 wäre überflüssig.
Neben ihren Qualitäten als Schauversuch wird die Landolt’sche Zeitreaktion gerne als Unterrichtsexperiment genutzt, um die Konzentrationsabhängigkeit der Rektionsgeschwindigkeit zu demonstrieren. In einem quantitativen Setup kann sogar die Ordnung der Reaktion bestimmt werden[2]: entgegen dem, was die Summengleichung 1 suggeriert, ist die Reaktion nicht vierter, sondern zweiter Ordnung bzw. erster Ordnung was sowohl die Iodat- als auch die Hydrogensulfit-Konzentration angeht. Auch dies war bereits Landolt bekannt![1]
Durch Zusätze geeigneter Schwermetallionen, die mit Iodid farbige Niederschläge bilden, kann die Reaktion optisch variiert werden. Besonders eindrucksvoll ist die Landolt-Reaktion in -Gegenwart von Quecksilber(II)-ionen. Sobald eine ausreichende Menge Iodid gebildet wurde, fällt in der Lösung schwerlösliches, orangefarbenes Quecksilber(II)-iodid aus:
Hg2+ + 2 I- ---> HgI2
Wenn genügend Iodat vorliegt, wird weiter Iodid gebildet, das irgendwann mit dem Iodat nach Gleichung 2 Iod bildet, so dass die Farbe, wenn alles Hg2+ umgesetzt ist, in Blauschwarz umschlägt. Diese Reaktion wurde 1953 von zwei Chemiestudenten an der Universität von Princeton entdeckt. Nach den Farben des traditionsreichen Hauptgebäudes der Universität, Nassau Hall, wurde sie “Old Nassau Clock Reaction“ genannt.[3] Ein etwas profanerer Name ist “Halloween Reaction“.
Erhöht man die Menge des zugesetzten Bisulfits, so wird das gesamte Iodat zu Iodid reduziert und dieses löst das Quecksilber(II)-iodid auf, indem der farblose Tetraiodomercurat(II)-Komplex gebildet wird:
HgI2 + 2 I- ---> [HgI4]2-
In diesem Fall entfärbt sich die orangefarbene Flüssigkeit wieder, und die Iodbildung und damit die Iod-Stärke-Reaktion bleibt aus.[4]
Die Toxizität der Quecksilbersalze veranlasste die Suche nach einem weniger problematischen Ersatz. Im Jahre 2004 wurde eine Variante der “Old Nassau Clock Reaction“ publiziert, bei der Silbernitrat eingesetzt wird.[5] Silberionen bilden mit Iodidionen blassgelbes Silberiodid:
Ag+ + I- ---> AgI
Der weitere Verlauf entspricht der klassischen Reaktion: sobald die Silberionen verbraucht sind, entsteht aus dem gebildeten Iodid und Iodat elementares Iod, dass die Schwarzfärbung des Ansatzes bedingt. Leider lässt sich die zweite Variante der “Old Nassau Reaction“ nicht durchführen, weil Silber keine komplexen Iodoargentate bildet. Die milchig-weiße Färbung zu Beginn ist auf ausfallendes Silberiodat zurückzuführen:
AgNO3 + KIO3 ---> AgIO3 + KNO3
Die “Golduhr“-Reaktion geht auf Arbeiten von Georg Vortmann (1854 - 1932) aus dem Jahre 1889 zurück.[6] Vortmann untersuchte das Verhalten des Natriumthiosulfats in wässriger Lösung und setzte es unter anderem mit verschiedenen Metallsalzen um, wobei die entsprechenden Metallsulfide gebildet werden. Für die Reaktion mit Arseniger Säure bzw. dem daraus entstehenden Arsenit,
As2O3 + Na2CO3 ---> 2 NaAsO2 + CO2
stellte er folgende Reaktionsgleichung auf:
2 AsO2- + 14 H+ + 9 S2O32- ---> As2S3 + 3 S4O62- + 3 SO2 + 7 H2O
welche den Vorgang im Großen und Ganzen (von quantitativ vernachlässigbaren Nebenreaktionen abgesehen) richtig wiedergibt.[6] Allerdings erwähnte Vortmann nicht die Induktionsperiode, die vergeht, bis die Abscheidung von Arsen(III)-sulfid beginnt! Als Zeitreaktion wurde die Umsetzung erst 1922 beschrieben.[7] Forbes et al. wiesen in ihren Studien nach, dass die Zeit bis zur Abscheidung des As2S3 vergeht, praktisch ausschließlich von der Thiosulfatkonzentration im Ansatz abhängt, und zwar in einer Kinetik nullter Ordnung – eine Halbierung der Konzentration verdoppelt die Zeit bis zum Farbumschlag u.s.w. Sie empfahlen daher dieses Experiment gegenüber der Landolt’schen Reaktion als Vorlesungsversuch zur Demonstration der Reaktionskinetik. In stark (mineral-)saurem Medium wird die Reaktion stark verzögert. Spätere Arbeiten legen nahe, dass aus dem Thiosulfat unter dem katalytischen Einfluss von Arsen zunächst schwefelreiche Polythionate (S5O62- und S6O62-) gebildet werden, die mit weiterem Thiosulfat unter Bildung von Sulfidionen reagieren. Erst dann tritt eine Abscheidung von Arsensulfid ein. Bis diese quantitativ verläuft vergehen mehrere Stunden.[8] In neuerer Zeit wurde der Reaktionsmechanismus von Watkins und DiStefano beschrieben.[12]
Interessanterweise wurde 1975 ein “alternativer Reaktionsablauf“ publiziert,[9] der postuliert, dass der goldfarbene Niederschlag nicht aus Arsen(III)-sulfid, sondern aus Schwefel bestehe:
2 AsO2- + H2O + S2O32- ---> 2 AsO43- + 2 H+ + 2 S
Diese Gleichung ist schon durch die empirischen Befunde nicht gestützt:[6]
- Der Niederschlag besteht aus Arsen(III)-sulfid und enthält höchstens Spuren von Schwefel beigemengt. Schon Vortmann beweis dies, indem er ihn in Ammoniakwasser vollständig in Lösung bringen konnte.
- Als Ausgangsstoff kann anstelle von Arsenit auch Arsenat eingesetzt werden, auch dabei entsteht Arsensulfid. Arsenat kann also kein Endprodukt sein (solange Natriumthiosulfat im Überschuss vorhanden ist, und das ist es in erheblichem Maße)
- Als Hauptreaktionsprodukt wurde in der Lösung Tetrathionat schon von Vortmann nachgewiesen.
Aber auch theoretisch lässt sich der Ablauf begründen. Folgende zwei Redooxreaktionen (Quelle) stehen zur Debatte:
2 S + 9 H2O → S2O32- + 6 H3O+ + 4 e- E0 = +0.6 V
HAsO2 + 4 H2O → H3AsO4 + 2 H3O+ + 2 e- E0 = +0.56 V
Die angegebenen Potentiale beziehen sich allerdings auf einen pH von 1! Bei niedrigerem pH isinken sie nach der Nernst'schen Gleichung ab, jedoch in unterschiedlichem ausmaß, wie hier graphisch dargestellt:
(Grafik von mgritsch)
Hier wird deutlich, dass oberhalb eines pH-Wertes von ca 1,4 das Redoxpotential des Systems Schwefel/Thiosulfat unter das des Systems Arsenit/Arsenat sinkt. Der essigsaure Reaktionsansatz dürfte einen pH von etwa 3 besitzen. Es ist unter diesen Bedingungen also auch elektrochemisch unmöglich, dass Thiosulfat Arsenit zu Arsenat oxidiert und zu Schwefel reduziert wird. Trotz dieser eklatanten Ungereimtheiten wurde die genannte, falsche Reaktionsgleichung offenbar ungeprüft in eine spätere Publikation übernommen.[10]
Die organische "Gold-Uhr" beruht auf der Bildung von Dicinnamalaceton, die über zwei Stufen verläuft. Dabei findet jedes Mal eine - basenkatalysierte - Aldolkondensation statt.
Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die erste der beiden Kondensationsreaktionen.[11] Die Bildung von Dibenzalaceton, mit Benzaldehyd als Edukt, verläuft analog.
Bilder:
Video: Landolt’sche Zeitreaktion mit (v.l.n.r.) 8 ml – 6 ml – 5 ml – 4,3 ml Natriumdisulfitlösung. Die Zeitverzögerung ist hier größer als oben angegeben wurde, weil zum Ansatz der Lösung Leitungswasser verwendet worden war. Dadurch fällt ein Teil des Iodats als Calciumiodat aus (Trübung) und die Iodatkonzentration verringert sich.
Video: der gleiche Reaktionsansatz mit halber Konzentration der Iodatlösung. Deutlich verzögerte Farbumschläge.
Die Stadien der “Old Nassau Clock Reaction“
Video: “Old Nassau Clock Reaction“. Links der Ansatz mit Überschuss an Natriumdisulfit, was Entfärbung zur Folge hat.
“Old Nassau Clock Reaction“ mit Silbernitrat anstelle von Quecksilberchlorid. Das dritte Bild zeigt die Schlierenbildung beim finalen Farbumschlag nach Blauschwarz.
Video: “Old Nassau Clock Reaction“ mit Silbernitrat
“Gold-Uhr“ – Zeitverzögerte Fällung von Arsen(III)-sulfid durch Natriumthiosulfat.
Video: “Gold-Uhr“
Abfiltriertes Arsen(III)-sulfid
Video: Organische “Gold-Uhr“ mit Zimtaldehyd.
Video: Zeitreaktion mit Benzaldehyd (10-fach größerer Ansatz als mit Zimtaldehyd)
Danksagung:
Danke an mgritsch für die Grafik der pH-Abhängigkeit der Redoxpotentiale von Arsenit/Arsenat und Schwefel/Thiosulfat!
Literatur:
[1] Landolt H: Ueber die Zeitdauer der Reaction zwischen Jodsäure und Schwefliger Säure; Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 19 (1886): 1317 – 1365
[2] Creary X u. Morris K M: A New Twist on the Iodine Clock Reaction: Determining the Order of a Rection; Journal of chemical Education 76 (1999): 530 – 531
[3] Alyea H N: The Old Nassau Reaction; Journal of chemical Education 54 (1977): 167 – 168
[4] Kreißl F R und Krätz O: Feuer und Flamme, Schall und Rauch – Schauexperimente und Chemiehistorisches; Verlag Wiley VCH Weinheim 2002, ISBN 3-527-30791-5
[5] Wilkinson L E: Old Nassau Demonstration with Wilkinson Modification; Journal of chemical Education 82 (2004): 1474
[6] Vortmann G: Ueber das Verhalten des Natriumthiosulfats zu Säuren und Metallsalzen; Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 22 (1889): 2307-2312
[7] Forbes G S et al: Induction Periods in Reactions between Thiosulfate and Arsenite or Arsenate: A Useful Clock Reaction; Journal of the American Chemical Society 44 (1922): 97 – 102
[8] Kurtenacker A u. Matejka K: Über höhere Polythionate; Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie 229 (1936): 19 – 29
[9] Bailey et al: Producing a Chemistry Magic Show; Journal of chemical Education 52 (1975): 524 – 525
[10] Wagner G und Kratz M: Chemie in faszinierenden Experimenten; Aulis Verlag Deubner Köln 2005; ISBN 3-7614-2511-4
[11] King L C und Ostrum K: A new Clock Reaction Preparation of Dicinnamalacetone; Journal of chemical Education 41, Heft 2 (1964), A139
[12] Watkins KW und DiStefano R: The Arsenic(III)sulfide Clock Reaction; Journal of Chemical Education 64 (1987): 255-257