Silbergewinnung aus Schützkontakten

Hier können Erfahrungsberichte zu Experimenten auch formlos geschrieben werden.

Moderatoren: Moderatoren, Assistenten

Benutzeravatar
wirehead
Illumina-Mitglied
Beiträge: 414
Registriert: Donnerstag 30. April 2009, 13:58

Silbergewinnung aus Schützkontakten

Beitrag von wirehead »

Silbergewinnung aus Schützkontakten

Der hier beschriebene Versuch zeigt die Aufarbeitung von silberhaltigen Schaltkontakten zu Feinsilber. Legierungsbestandteile von Leistungskontakten sind typischerweise Silber (bis zu 90%), Kupfer und Cadmium. Teiweise auch Nickel, Wolfram, Zinn und geringe Mengen Edelmetalle.
Silber wird wegen der guten Leitfähigkeit verwendet, Kupfer dient als härtender Legierungsbestandteil und Cadmium reduziert das "kleben" der Kontakte was eine hohe Einschaltstrombelastung zulässt.
Bei Anlagenmodernisierung können große Mengen Kontaktmaterial anfallen, das sich gut aufarbeiten läst. Die Kontaktplatten sind meist genietet oder hart aufgelötet und können mit einem Propan/Sauerstoffbrenner leicht vom Träger entfernt werden.


Geräte: Bechergläser, Büchnertrichter, Saugflasche mit Pumpe, Glasrührstab, Heizrührer, Schmelzofen, Tiegel


Chemikalien:

Salpetersäure
Wasserstoffperoxid
Natriumhydroxid
Natriumtetraborat
Natriumcarbonat

Schaltkontakte mit Silberanteil

Glukose

Wasser

Silbernitrat
Silberchlorid

Silber


Hinweis: Bei der Reaktion entstehen giftige Stickstoffoxide!


Durchführung:

Umsetzen des Silberanteils zum Chlorid


Es wurden 375g entlötetes Kontaktmaterial in einem 1L Becherglas vorgelegt und mit 100mL halbkonzentrierter Salpetersäure übergossen. Sofort setzte unter Wärmeentwicklung heftige Stickoxidbildung ein die mit vorsichtiger tropfenweiser Zugabe von 30%iger Wasserstoffperoxidlösung reduziert werden kann. Es ist unbedingt im Abzug oder im Ausenbereich zu Arbeiten. Das Reaktionsgemisch schäumt beim einsetzen der Reaktion und bei Zugabe von Wasserstoffperoxid stark auf. Wenn die Reaktion nachlässt wird auf der Heizplatte weiter erwärmt. Sobald es die Gasentwicklung zulässt werden solange kleine Mengen Salpetersäure (30-50ml) zugegeben bis das gesamte Metall gelöst ist. Insgesamt wurden 550mL 53%ige Salpetersäure und 300mL 30%ige Wasserstoffperoxidlösung eingesetzt um das Metall in Lösung zu bringen.

Die erhaltene Lauge wird unter zuhilfenahme eines Büchnertrichter und einer Saugflasche gefiltert wobei ca. 1g feiner schwarzer NS von ungelösten Bestandteilen zurück blieb. Dieser kann Edelmetall enthalten und wird daher aufgehoben.

Anschließen werden jeweils 150mL der Brühe in ein 1L Becherglas überführt und auf 400mL mit heißem Leitungswasser aufgefüllt. Unter Rühren wird nun soviel Kochsalzlösung hinzugefügt bis das gesamte Silber als weißer Niederschlag von Silberchlorid ausgefallen ist. Ein leichter Überschuss von Kochsalzlösung ist unkritisch. Die überstehende Flüssigkeit kann vorsichtig abdekantiert werden, anschließend wird der Niederschlag 4-5x mit 50°C heißem Leitungswasser gewaschen.
Mit dem Rest der Mutterlauge wird ebenso Verfahren und die einzelnen Fraktionen des Silberchlorids gesammelt. Zum ausfällen des gesamten Chlorids wurden ca. 230g Kochsalz benötigt.

Das Silberchlorid wird nicht getrocknet da dies nachteilig für die Weiterverarbeitung ist. Eine Ausbeute wurde daher nicht bestimmt.

Reduktion des Chlorids zu Silberschwamm

Ein Drittel des feuchten Silberchlorids wird in ein 1L Becherglas gegeben und mit 300mL Wasser überschichtet. Nun wird unter magnetischem Rühren ca. 100g NaOH hinzugegeben. Sofort färbt sich das weiße Silberchlorid braun bis schwarz. Die Temperatur der Suspension steigt dabei stark an.
Nachdem die Suspension auf 30-40C° abgekühlt ist wird 30g (Überschuss) D-Glucose-Monohydrat zugegeben, die Suspension färbt sich schwarz und geht über ins Grau. Es wird 2h weiter gerührt. Das Gemisch verströmt unter des einen Zuckergeruch :-)
Hinweis: Die Temperatur steigt bei dieser Reaktion ebenfalls stark an, weshalb die Zugabe von Glucose bei niedrigen Temperaturen erfolgen sollte um ein plötzliches überkochen zu vermeiden.

Anschließend wird der graue Niederschlag absitzen lassen und die überstehende Lauge dekantiert. Der Niederschlag wird mehrmals (4-8x) mit Wasser gewaschen bis er neutral reagiert.
Das so erhaltene Silberpulver wird auf der Heizplatte oder im Umluft-Ofen bei 140-180C° getrocknet.

Es wurden 318g Silberpulver erhalten, was etwa 84,8% Ausbeute bezogen auf das eingesetzte Rohmetall entspricht.
Leider hatte ich durch Unachtsamkeit auch ein paar Verluste.

Einschmelzen
Das Silberpulver wird mit ca. 10g Borax und ca. 20g Soda gemischt und ein vorgebrannter Graphittiegel bis 1cm unter den Rand mit dieser Mischung gefüllt. Nun wandert der Tiegel mit Inhalt in den auf 200-300°C vorgeheizten Ofen, dieser wird nun auf 1050°C hochgeheizt. Das Silberpulver ist für Metallpulver relativ voluminös, fällt aber schon nach kurzer Zeit zusammen so das der Rest nachgegeben werden kann. Nach der letzten Zugabe kann der Ínhalt noch mit Aktivkohlepellets überschichtet werden. Das hilft später auch etwas die glasartige Flussmittelschmelze in den Griff zu bekommen.
Nachdem die Endtemperatur erreicht ist dauert der Schmelzvorgang je nach Menge 0,5-1,5h dies ist sehr vom Wärmeübergang im jeweiligen Ofen abhängig. Die Schmelze wird nach dem vollständigen schmelzen noch 2x mit einem Edelstahldraht umgerührt und nun zum Guss auf 1100°C temperiert.
Beim Guss kommt eine Stahlgussform zum einsatz, diese wird mit Steinwolle isoliert auf einer feuerfesten Unterlage bereitgestellt und dünn mit Graphit eingepinselt. Die Form wird mit dem Brenner auf min 500°C vorgeheizt und mit Steinwolle bis zum Guss abgedeckt.
Wenn alle Arbeitsmittel, ein Feuerlöscher und die nötige PSA bereit stehen wird der Tiegel mit geeignetem Werkzeug entnommen und das Silber in die vorgeheizte Form gegossen. Ein Helfer hält mit einem Stahlspachtel die Schlacke im Tiegel zurück. Die Gussform wird sofort mit Aktivkohlepellets und Steinwolle abgedeckt und auf min 200°C abkühlken lassen. Die Barren lassen sich nach abkühlen leicht lösen.

Hinweis: Der Umgang mit der Metallschmelze ist relativ gefährlich, sie kann unkontrolliert spratzen, verschütten oder der Tiegel kann einfach brechen. Daher muss dieser Vorgang besonders geplant werden und das richtige Werkzeug muss zur Verfügung stehen. Der Gussort muss feuerfest und trocken sein, es muss eine gut greifende Tiegelzange zur Verfügung stehen oder angefertigt werden. Der Tiegel muss mit der Zange in jeder Position sicher zu halten sein ohne das einem die Finger durch die Strahlungswärme abbrennen (min. 30cm beim Tragen von Handschuhen, ohne eher 50cm).
Man sollte eine Kopfschutz und ein Gesichtsschild tragen, weiterhin sollte eine dicke Hose bis über die Schuhe reichen.
Den Tiegel nicht auf Glaswolle oder Steinwolle absetzen, diese klebt am heißen Tiegel und lässt sich kaum entfernen.


Entsorgung und Hinweise:
Die überstehende Lauge enthält Kaliumnitrat sowie Kupfer-, Cadmium- und Zinnsalze, weitere Köstlichkeiten sind nicht auszuschließen. Die Oxide können mit NaOH gefällt werden und vorsichtig eingedampft werden. Die Reste gehen zu den Schwermetallabfällen.


Erklärung:

Der Silberanteil wird mit Salpetersäure zum Silbernitrat umgesetzt umgesetzt, anschließend wird mit Natriumchlorid sehr selektiv Silber als schwerlösliches Silberchlorid gefällt. Das Silberchlorid ist im sauren als auch in Wasser derart schlecht löslich (1,88 mg/L bei 25 °C) das es praktisch den einzigen Niederschlag darstelt und leicht abgetrennt und gewaschen werden kann.

Silber zu Silbernitrat
\(\mathrm{3\ Ag \ + \ 4\ HNO_3 \longrightarrow\ 3\ AgNO_3 \ + \ 2\ H_2O\ +\ NO}\)

Silbernitrat zu Silberchlorid in wässriger Lösung
\(\mathrm{AgNO_3 \ + \ NaCl \longrightarrow\ 2 \ AgCl\ +\ NaNO_3}\)

Zur Reduktion der Stickoxidbildung beim lösen des Metalls wurde Wasserstoffperoxid zugegeben. Wasserstoffperoxid oxidiert das Stickstoffmonoxid über mehrere Stufen wieder zu Salpetersäure.

Beim frisch gefällten Silberchlorid kann zudem die Lichtempfindlichkeit beobachtet werden, bei starker Beleuchtung färbt sich das Chlorid inerhalb von Minuten zunehmend blau bis grau.

continued...


Bilder:

Das Rohmaterial, anhand des Siemens-Schuckert Logos unten rechts kann man erahnen wie alt die sind ;-)
Bild

Entlötete Schaltkontakte.
Bild

Vorgelegte Chemikalien
Bild

Reaktion des Silbers mit Salpetersäure
Bild

Beschleunigung des Vorgangs
Bild

Ungefilterte Lösung des Metalls
Bild

AgCl ein paar Minuten nach dem Fällen mit Kochsalzlösung.
Bild

Silberchloridausbeute des Tages
Bild

Silverpulver nach waschen und trocknen
Bild

Bild

Gussform

Bild

Tiegel (nach dem Guss)

Bild

Elektroofen

Bild

Barren (ca. 540g zusammen)

Bild

Bild

Bild



Quellen: http://www.freepatentsonline.com/DE3827605.html

Wird fortgesetzt.

Gruß
Torsten
Benutzeravatar
Uranylacetat
Illumina-Mitglied
Beiträge: 1221
Registriert: Sonntag 8. August 2010, 23:17
Wohnort: Berlin-Pankow

Beitrag von Uranylacetat »

Ein sehr interessantes Recycling von silberhaltigem Materialien und sehr schön dokumentiert! :thumbsup:
"Der einfachste Versuch, den man selbst gemacht hat, ist besser als der schönste, den man nur sieht." (Michael Faraday 1791-1867)

Alles ist Chemie, sofern man es nur "probiret". (Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832)

„Dosis sola facit venenum.“ (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus 1493-1541)

"Wenn man es nur versucht, so geht´s; das heißt mitunter, doch nicht stets." (Wilhelm Busch 1832 -1908)
Benutzeravatar
bahmtec
IllumiNobel-Gewinner 2012
Beiträge: 537
Registriert: Samstag 2. Oktober 2010, 00:37
Wohnort: Hinterwald

Beitrag von bahmtec »

Wieso sehe ich das jetzt erst? Super Sache! Schön bebildert! :thumbsup:
Hopfen und Malz-Gott erhalt´s
Benutzeravatar
wirehead
Illumina-Mitglied
Beiträge: 414
Registriert: Donnerstag 30. April 2009, 13:58

Beitrag von wirehead »

Hab heute gegossen und mal ein wenig was nachgetragen...

Kann mir jemand sagen warum das Silber nach dem abkühlen rot bis orange, fast kupferfarben ist? Diese "Anlauffarben" treten an der beim abkühlen der Luft ausgesetzten Seite auf. Der Tiegel hat an einer Seite eine ähnliche Färbung.
Antworten